|
|
| |
|
|
03.02.2009, 23:37
|
Benutzer
Infokrieger
|
|
Registriert seit: 20.08.2008
Ort: Köln
Beiträge: 48
|
|
Das Problem des Aufbegehrens
Wie kann man in einem (zum Schein) demokratischen System eine Revolution auslösen?
Wie kann man es durch Infokrieg schaffen, die Machtstrukturen einer Staats- oder sogar einer Weltelite zu stürzen?
Und gab es diese Idee nicht schonmal? --> http://www.taz.de/digitaz/.dutschkestrasse/positionen
Es war der gleiche Denkansatz und es waren die gleichen Probleme, mit denen wir auch zu kämpfen haben. Oder hat sich seit dieser Zeit etwas geändert? Ist es vielleicht heutzutage sogar noch viel schwieriger eine "Weltrevolution" zu starten?
Ich möchte hier keine "Wir-sind-alle-verloren-Stimmung" verbreiten, aber gibt es eine Möglichkeit, dass wir am Ende nicht genau so scheitern werden wie Dutschke mit seiner Studentenbewegung?
__________________
"Libenter homines id, quod volunt, credunt."
(Gern glauben die Menschen das, was sie wollen. - Julius Cäsar)
|
04.02.2009, 03:02
|
Erfahrener Benutzer
Infokrieger
|
|
Registriert seit: 25.04.2007
Ort: Münsterland
Beiträge: 923
|
|
Ich zitiere einmal kurz aus dem von dir verlinkten Text:
Zitat:
Wenn der Anführer einer Bewegung deren Handlungsoptionen abwägt, muss er auch ihre Ziele und gesellschaftlichen Grundlagen bedenken, und dadurch sind seine Möglichkeiten eingeschränkt, zumindest wenn die Bewegung effektiv sein soll. Das erfordert auch, dass man seine Gegner kennen muss, wie sie funktionieren, wie die Bewegung mit ihnen verhandeln könnte (oder auch nicht), und dann muss man abwägen, wie der Gegner reagieren könnte. Andererseits muss der Sprecher einer Bewegung in der Lage sein, seine potenzielle Basis anzusprechen und ihre Unterstützung zu gewinnen. Dazu muss er wissen, wie man mit der Basis verhandelt, wie sie ihre Beziehung zur Machtstruktur einschätzt und was sie zu tun bereit ist, um ihre Ziele zu erreichen. Er muss eine Vorstellung davon entwickeln, zu welchen Ergebnissen seine Handlungen und die der Bewegung führen werden.
|
Gehen wir einmal davon aus, dass ein Rudi Dutschke, welcher im Grunde nie zu Gewalttätigkeiten neigte, genau abschätzen konnte, dass die Gegenpartei zu überaus skrupellosem Vorgehensweisen bereit war, dann war eine Revolution wie die des Baader-Meinhoff-Komplexes wahrscheinlich nicht im seinen Sinne.
Und tatsächlich schrieb Dutschke auch in eines seiner Tagebücher folgende Zeilen:
Zitat:
„Die negativen Auswirkungen der RAF-Scheiße sind vielerorts erkennbar, CDU/CSU im besonderen, Regierung im allgemeinen und RAF-Kacke im einzelnen scheinen verheiratet zu sein: um den politischen Klassenkampf zu hemmen!“
|
Dies alles lässt mich zu der Annahme kommen, dass Rudi Dutschke nicht nur ein diplomatischer Stratege gewesen sein muss, sondern, dass er auch ganz genau die Prinzipien von Aktion -> Reaktion durchschaut haben muss und sich ( und die Bewegung; "politischer Klassenkampf" ) nicht als Instrument für eine "Politik der Spannung" missbrauchen lassen wollte.
Aus diesem Blickwinkel erscheint mir Dutschkes Aufbegehren als eine überaus konstruktive Form der Rebellion. Jedoch ließ sich leider viele Teile der übrigen Studentenbewegung instrumentalisieren und nach dem Mord an Benno Ohnesorg war der gewaltsamen Eskalation Tür und Tor geöffnet.
Wie man heute weiß, jedoch unter massiver Beteiligung von Regierungsorganen, welche die Bewegung infiltrierten und gezielt radikalisierten, um so härtere Maßnahmen gegen diese einleiten zu können:
Zitat:
Radikalisierung der Studentenbewegung
Gegen Ende der 1960er Jahre wehte ein Hauch gesellschaftlichen Umbruchs durch die Straßen. Zahllose Studenten taten ihren Unmut über den Vietnamkrieg, das Wettrüsten der konkurrierenden Weltmächte oder den alten Parteimuff aus faschistischen Zeiten kund. Sie protestierten gegen die Ungerechtigkeit in der Welt und gegen Umweltzerstörung. Gegen die nukleare Bedrohung und für die Rechte der Dritten Welt sowie für mehr Demokratie im Westen. In jenen Tagen entstand auch die legendäre Kommune 1, aus deren Mitgliedern auch Teile der frühen Rote Armee Fraktion (RAF) hervorgingen.
In diese besagte Kommune 1 wurde auch der Verfassungsschutz-Agent Peter Urbach eingeschleust, indem er sich als politisch links stehender Handwerker ausgab und Arbeiten innerhalb des Hauses verrichtete. Auf diese Weise erschlich er sich das Vertrauen der Kommune und spielte hernach eine prägende Rolle bei der gezielten Radikalisierung und Kriminalisierung der linksgerichteten Studentenbewegung.
Beispielsweise verteilte Urbach, am 11. April 1968, Molotowcocktails an die Demonstranten auf dem Parkplatz des Axelspringerkonzerns, welche sich dort als Reaktion auf den Mord an Benno Ohnesorg, welcher auf einer Demonstration gegen den Schar von Persien von einem Polizisten erschossen wurde, versammelt hatten und verleitete sie so zu Brandstiftungen und Sachbeschädigungen an den dort abgestellten Auslieferungsfahr-zeugen.[1]
Darüber hinaus zeichnete sich Agent Urbach in den Jahren zwischen 1967 und 1970 als ein verlässlicher Lieferant von Bomben und Schusswaffen aus, mit welchen er die linke Szene ausrüstete. So bot er dem von Rudi Dutschke gegründeten Internationalen Nachrichten- und Forschungsinstitut (INFI) rund 50 Pistolen an, welche er aus abgezweigten Polizeibeständen erhalten haben wollte, da sich „die Revolution doch bewaffnen“ müsse. [2]
Auch RAF-Gründungsmitglied, Horst Mahler, gab an, Urbach habe ihm nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke unaufgefordert eine Pistole belgischen Fabrikats (FN 9mm) samt scharfer Munition angeboten, da er damals von zahlreichen Morddrohungen betroffen gewesen sei und ein entsprechender Waffenscheinantrag vom Polizeipräsidenten in Berlin abgelehnt worden war. [3]
1969 lieferte Peter Urbach zudem mindestens 12 Sprengsätze an die linke Szene in Berlin und deren Kommunen. Teile dieser, von ihm verteilten, Bombenserie wurden auf der Route des US-Präsidenten Richard Nixon gefunden, als dieser am 27. Februar 1969 einen Kurzbesuch in Berlin abhielt. [4]
Auch die, durch die Guerillaorganisation Tupamaros Westberlin, am 9 November 1969 im jüdischen Gemeindehaus platzierte Bombe kann mittlerweile den Machenschaften Urbachs zugerechnet werden. Dies geht aus den Recherchen des Historikers Wolfgang Kraushaar hervor [5], laut welchem auch die kriminalistischen Untersuchungen des versuchten Anschlags durch die staatlichen Behörden behindert worden seien, da durch eine umfassende Ermittlung wohl auch ihr V-Mann Peter Urbach aufgeflogen wäre. Wolfgang Kraushaar hierzu: „Es hätte auf jeden Fall einen großen Ansehensverlust der Bundesrepublik bedeutet, dass von staatlicher Seite die Mittel beigesteuert worden sind, um diesen Anschlag auf das Jüdische Gemeindehaus zu verüben.“ [5]
Es ist demnach klar erwiesen, dass der V-Mann, Peter Urbach, welcher auch den entscheidenden Hinweis zur Verhaftung des RAF-Mitgründers Andreas Baader im Jahre 1970 lieferte, maßgeblich an der Entstehung des militanten Linksextremismus der ausklingenden 60er Jahre beteiligt gewesen ist und das die ermittelnden Behörden ihn und sein Umfeld in manchen Fällen sogar vor dem Zugriff der Justiz bewart hatten.
--- -- -
[1] „Der Baader Meinhof Komplex“; Stefan Aust; Seite 72; Goldmann, 1998, ISBN 3442129532
[2] Berliner Zeitung; 6. Juli 2005
http://www.berlinonline.de/berliner-...uilleton/0001/
[3] Rechtsanwalt Horst Mahler; „Stellungnahme der Antragsgegnerin im Verfahren Deutsche Bundesregierung und andere gegen NPD“; Seite 30f.; 30. August 2002
http://www.extremismus.com/dox/vmann6.pdf
[4] „Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus“; Wolfgang Kraushaar; Hamburger Edition, 2005, ISBN 3936096538
[5] RBB-Online; 10. November 2005
http://www.rbb-online.de/_/kontraste...g_3362706.html
|
Wie es dann um die späteren Legenden rund um die RAF ( vorallem um die 2. und estrecht um die 3. Generation ) bestellt ist, darauf möchte ich hier jetzt nicht weiter eingehen, da sich dieser Beitrag dann endgültig zu weit von der eigentlichen Thematik entfernen würde. Doch seien kurz Schlagworte wie Celler Loch oder die Buchempfehlung "Das RAF-Phantom" ( von Gerhard Wisznewski ) genannt.
--- -- -
Was wir jedoch aus der Geschichte lernen können?
- Stets die Frage im Auge behalten, welche sich wohl auch ein Rudi Dutschke schon gestellt haben mochte:
"Was werden unsere Aktionen für Reaktionen hervorrufen? Und sind diese (vorallem jene Aktionen, die in die Richtung einer Radikalisierung abzielen) nicht vielleicht von ganz anderer Stelle als aus den eigenen Reihen erwünscht?"
--- -- -
Heute mal wieder etwas abschweifend: Norton
__________________
"Ich kenne keinen sichereren Treuhänder der ultimaten Macht der Gesellschaft als das Volk an sich; und wenn wir sie nicht für erleuchtet genug halten, diese Kontrolle mit wohlwollender Umsicht durchzuführen, dann ist die Abhilfe nicht, sie ihnen wegzunehmen, sondern ihre Umsicht zu prägen."
( Thomas Jefferson )
"Dogmen; die religiösen, wie die wissenschftlichen; sind die großen Feinde wahrer Erkenntnis. Denn wer glaubt, braucht nicht zu wissen;und wer weiß, braucht nicht zu denken."
|
04.02.2009, 03:10
|
Erfahrener Benutzer
Infokrieger
|
|
Registriert seit: 05.09.2008
Beiträge: 803
|
|
@Norton
ich muss dir Scharfsinn attestieren, mein Kompliment!
Grilleau
|
04.02.2009, 03:17
|
Erfahrener Benutzer
Infokrieger
|
|
Registriert seit: 25.04.2007
Ort: Münsterland
Beiträge: 923
|
|
Oh... Ich danke recht herzlich, Grilleau... :P
__________________
"Ich kenne keinen sichereren Treuhänder der ultimaten Macht der Gesellschaft als das Volk an sich; und wenn wir sie nicht für erleuchtet genug halten, diese Kontrolle mit wohlwollender Umsicht durchzuführen, dann ist die Abhilfe nicht, sie ihnen wegzunehmen, sondern ihre Umsicht zu prägen."
( Thomas Jefferson )
"Dogmen; die religiösen, wie die wissenschftlichen; sind die großen Feinde wahrer Erkenntnis. Denn wer glaubt, braucht nicht zu wissen;und wer weiß, braucht nicht zu denken."
|
|
Forumregeln
|
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.
HTML-Code ist aus.
|
|
|
Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 20:15 Uhr.
Powered by vBulletin® Version 3.8.1 (Deutsch) Copyright ©2000 - 2010, Jelsoft Enterprises Ltd.
|