Wenn Sie in diesen Tagen während der Dämmerungsphase an den Himmel schauen, haben Sie gute Chancen, Zeuge eines ungewöhnlichen Phänomens zu werden – bekannt als leuchtende Nachtwolken. So häufig wurden sie noch nie beobachtet, vor allem nicht bis in relativ südliche Breiten hinein. Die silbrig-blauen Wolken sind eine immer noch rätselhafte Himmelserscheinung.
Gegenwärtig gehen zahlreiche Meldungen über ungewöhnliche Wolkenphänomene ein – Beobachter berichten über »atemberaubende Anblicke«. Am 14. Juli feierte Paris den Sturm auf die Bastille und beging das Jubiläum mit einem großen Feuerwerk. Doch der künstliche Licht- und Farbenzauber geriet bei einigen Anwesenden völlig zur Nebensächlichkeit, als sich das Firmament mit silberblau leuchtenden Filamenten zu füllen begann, ein Phänomen, das sich wie ein magisch glühendes Fischernetz auf die Sterne zu legen begann.
Bekannt sind diese cirrenartigen Wolkenschleier als »leuchtende Nachtwolken« oder
noctilucent clouds (NLCs). Sie werden seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert immer wieder gesichtet, doch geschieht es nur selten, dass sie in tieferen Breiten erscheinen – wie gerade eben in diesen Tagen. Normalerweise zeigen sie sich nicht unterhalb von 50 Grad Breite, jetzt zogen sie über Paris auf, um bald auch über weiten Teilen der Vereinigten Staaten sichtbar zu werden. Berichte treffen aus Oregon, Washington und Idaho ein, ebenso wie aus Süd-Dakota, aus Colorado, Nevada und sogar Kalifornien. Die eigenartigen Zirren leuchten momentan überdurchschnittlich hell und verzaubern den Himmel mit ihrem unwirklichen, elektrisiert wirkenden kühlen Licht. Doch was verursacht sie?
Über die leuchtenden Nachtwolken ist noch nicht viel bekannt. Erste Beobachtungen stammen aus dem Jahr 1885, davor scheinen sie nicht aufgetreten zu sein. Möglicherweise ging eine sehr lange Pause voraus. Vor allem der deutsche Wissenschaftler Otto Jesse begab sich auf die Spuren dieses interessanten Phänomens, prägte auch dessen Namen und fotografierte es bereits 1887.
Wie sich herausgestellt hat, bilden sich diese seltsamen Wolken in extrem großen Höhen, rund 75 bis 85 Kilometer über dem Erdboden. Absolut rekordverdächtig! Die Wolken sind ein Dämmerungsphänomen. Sie reflektieren das Licht der bereits untergegangenen Sonne, von der sie selbst noch angestrahlt werden, eben, weil sie so hoch am Himmel stehen. Zu sehen sind sie in der Zeit zwischen dem Ende der »bürgerlichen Dämmerung« (Sonne 6° unter dem Horizont) und dem Ende der »astronomischen Dämmerung« (Sonne 16° unter dem Horizont). Sie bestehen aus winzigen Eiskristallen von maximal einem Tausendstel Millimeter Durchmesser. Das auskristallisierende Wasser legt sich als Schicht um mikroskopische Staubteilchen, die in der Hochatmosphäre schweben und aus teils unbekannter Quelle stammen.
In den Jahren nach 1885, als die Wolken erstmalig gesichtet wurden, glaubte man, ihre Entstehung hinge mit dem Ausbruch des Krakatau 1883 zusammen, als enorm viel vulkanischer Staub in die oberen Schichten der Lufthülle geschleudert wurde. Doch auch, nachdem Staub und Ruß wieder auf den Erdboden abgesunken waren, blieben die Wolken am Himmel. Es musste also andere Ursachen für sie geben. Als im Jahr 1908 der große Tunguska-Körper über der Erde detonierte, zeigten sich wieder zahlreiche nachtleuchtende Wolken. Wie erst kürzlich gemeldet, könnte daraus folgen, dass damals – genau wie ursprünglich vermutet – tatsächlich ein Mini-Komet auf die Erde stürzte und seine eisigen Bestandteile in der Hochatmosphäre verteilte. Doch sind das Einzelereignisse, die das Phänomen nicht als Ganzes erklären können. Auch nach
Shuttle-Starts zeigen sich ungewöhnliche leuchtende Wolken, wiederum aber mit ganz charakteristischen Eigenschaften. Mittlerweile gehen zumindest einige Fachleute davon aus, dass die leuchtenden Wolken auf eine Klimaänderung hindeuten. Der Atmosphärenforscher Gary Thomas machte bereits darauf aufmerksam, dass diese Wolken offenbar seit dem Beginn der Industriellen Revolution existieren. Was zudem auffällt, ist ein Zusammenhang mit niedriger Sonnenaktivität. Die nachtleuchtenden Wolken, die ähnlich wie Cirruswolken aussehen, aber schärfer begrenzt erscheinen, werden vor allem in Jahren wie 2009 gesehen, eben immer dann, wenn die Sonne ruht. Niemand kann den Sachverhalt wirklich befriedigend erklären. Der Gedanke dabei ist einfach, dass sich die obere Atmosphäre abkühlt und dadurch Eiskristallwolken entstehen. Zwischenzeitlich hat sich auch das Aktivitätsgebiet 1024 auf der Sonne wieder aufgelöst. Bis auf kleine Randeruptionen herrscht wieder totale Stille. Mag sein, dass die jetzige Häufung von Nachtwolken tatsächlich damit in Verbindung steht. Vielleicht aber gibt es auch andere, bislang ungeklärte Ursachen, vielleicht sogar militärische, ähnlich wie bei den umstrittenen Chemtrails. Oder mag hier sogar ein gewisser Zusammenhang bestehen?