Der EU-Reformvertrag:
Militarisierung durch die Hintertür
Sämtliche bereits an der EU-Verfassung kritisierten Militarisierungsaspekte
wurden auch in den Reformvertrag übernommen. Kernpunkte der Kritik waren
und sind:
1. Weltweite EU-Kampfeinsätze mit nahezu unbegrenztem Aufgabenspektrum
Artikel 28b, Absatz 1 benennt u.a. „gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen“, „Kampfeinsätze“
und „Operationen zur Stabilisierung der Lage“ sowie „die Unterstützung für Drittländer
bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet“ als Aufgabenspektrum
künftiger EU-Kriege.
2. Vertragliche Aufrüstungsverpflichtung
Artikel 28a, Absatz 3 enthält erneut die bis dato einmalige Verpflichtung, mehr Gelder in
den Rüstungssektor zu investieren: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre
militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ Die bereits 2004 eingerichtete
Rüstungsagentur soll die Einhaltung dieser Vorschrift überwachen und nun mit dem
Reformvertrag überhaupt erst eine rechtliche Grundlage erhalten.
3. Endgültige Einrichtung eines EU-eigenen Rüstungshaushalts
Der bislang noch gültige Nizza-Vertrag verbietet die Aufstellung eines EU-Rüstungshaushalts,
was sich bislang als erheblicher Hemmschuh für EUropas Militaristen erwiesen hat. Deshalb
wird im Reformvertrag (Artikel 28, Absatz 3) der Europäischen Union erstmalig die Möglichkeit
eröffnet, einen als „Anschubfonds“ bezeichneten Wehretat aufzustellen.
4. Keine parlamentarische Kontrollmöglichkeit von EU-Interventionen
Über EU-Kriegseinsätze entscheiden allein die Staats- und Regierungschefs. Das
Europäische Parlament hat im Reformvertrag (Artikel 21) lediglich das Recht „angehört“ und
„unterrichtet“ zu werden, mitentscheiden darf es nicht. Da auch der Europäische Gerichtshof
in diesem Bereich keinen Einfluss besitzt, wird somit die Gewaltenteilung in der
entscheidenden Frage von Krieg und Frieden de facto aufgehoben.
5. Kerneuropa - nur wer Krieg führt, darf mitbestimmen
Mitglieder, die sich militärisch hierfür qualifiziert haben, indem sie an den wichtigsten
Aufrüstungsprogrammen teilnehmen und Interventionstruppen (Battlegroups) zur
Verfügung stellen, können eine „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ eingehen,
mit der das eigentlich für den außen- und sicherheitspolitischen Bereich geltende
Konsensprinzip ausgehebelt wird (Artikel 28e, Absatz 6).
Das Einstimmigkeitsprinzip
bezieht sich „allein auf die Stimmen der Vertreter der an der Zusammenarbeit
teilnehmenden Mitgliedstaaten.“
6. Machtverschiebung zugunsten der Großmächte
Schon die EU-Verfassung sah mit der sog. doppelten Mehrheit eine dramatische
Verschiebung der Machtverhältnisse im wichtigsten EU-Gremium, dem Rat der
Staats- und Regierungschefs, vor. Deutschland verdoppelt damit seinen
Stimmanteile im Rat von 9% auf 18.2% (die anderen Gewinner sind Frankreich,
Großbritannien und Italien). Mit dem Reformvertrag (Artikel 9c) wird diese
dramatische Machtverschiebung im Jahr 2014 als gängige Praxis eingeführt.
Während soziale Sicherheit nur noch als Standortnachteil und Auslaufmodell gilt,
wird militärische „Sicherheit“ zur neuen Heilslehre erhoben - koste es was es wolle.
Wir fordern deshalb: Nein zur Militarisierung EUropas! Nein zum EU-Reformvertrag!
IMI