Hier noch einig Infos zu dem Thema. Damit dieser Beitrag nich zu lang wird, habe ich mal
das wichtigste zusammengefaßt. Am Ende des Textes gibt es einen Downloadlink für
Komplettversion incl. Tabellen.
Regelsätze sind feste monatliche Unterstützungssätze, die den notwendigen Lebensunterhalt decken sollen.
Der Regelsatz eines Alleinstehenden heißt Eckregelsatz.
Der Eckregelsatz beträgt 345 € (seit 01.07.07 347€).
Wie wird der Regelsatz festgesetzt?
„Grundlage sind die tatsächlich, statistisch ermittelten Verbrauchsausgaben von Haushalten
in unteren Einkommensgruppen.Datengrundlage ist die Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe.“ (§ 28 Abs. 3 SGB XII)
Genauer:
„Zu Grunde zu legen sind die Verbrauchsausgaben der untersten 20 vom Hundert der
nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
nach Herausnahme der Empfänger von Leistungen der Sozialhilfe.“
(§ 2 Abs. 3 Regelsatzverordnung – RSVO)
Mit Haushalten sind Ein-Personen-Haushalte gemeint, da der Eckregelsatz der Regelsatz
von Alleinstehenden ist. (so auch die Begründung der Bundesregierung zu § 2 RSVO)
Dieses großartige Werk verrichtete eine der Öffentlichkeit kaum bekannte Gruppe von Vertretern aus
Regierung, Wirtschaft, Wohlfahrtsverbänden, Armutswissenschaft usw. in nicht-öffentlichen Sitzungen. Sie
stützten sich dabei auf eine Sonderauswertung des
Statistischen Bundesamts für die
Bundesregierung, die diese bis heute unter Verschluss hält.
Nicht einmal die Abgeordneten des Bundestages kannten sie, die Ende
2003 für die 345 € die Hand hoben.
Aufgrund vereinzelter
Kritik sah sich die Regierung gezwungen,ihre Geheimhaltungspraxis bei der
Auswertung der EVS 2003 zu ändern. Sie veröffentlichte im Juni 2006 die gesamten
Ausgabepositionen der untersten 20% der Ein-Personen-Haushalte.
Nach wie vor aber hält die Regierung alle Angaben über Einkommen, und über die soziale Zusammensetzung,
Altersklassen usw. dieser Gruppe geheim.
Wer gehört zu den unteren Verbrauchergruppen?
Überwiegend RentnerInnen!!
Die Altersstruktur und die Zusammensetzung des Einkommens der Alleinstehenden Personen,
deren Verbrauchsverhalten Grundlage des Regelsatzes ist, wird bisher nicht veröffentlicht.
Dennoch sickerte aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch, dass 50%
dieser Bezugsgruppe über 65 Jahre alt sind, 20% unter 25 und 30% zwischen 25 und 65.
(Aussage von Frau Buck in der AG Soziale Gerechtigkeit der SPD-Bundestagsfraktion
am 22.Juni 2006)
Der Eckregelsatz ist, salopp gesagt, ein Rentner-Regelsatz. Diesen Schluss kann man indirekt
auch aus allen bisher zur EVS 2003, EVS 1998 und 1993 veröffentlichten Daten ziehen.
Bei den Haushalten von Alleinstehenden mit einem Haushaltsnettoeinkommen zwischen
500 und 900 € waren 41% der Haupteinkommensbezieher RentnerInnen. (Statistisches
Bundesamt 2005, 30)
Aus früheren Auswertungen der EVS geht hervor, dass besonders Rentnerinnen über 70 Jahren stark
vertreten waren. 1993 waren z.B. mehr als ein Drittel der Haupteinkommensbezieher der Ein-Personen-Haushalte
der Einkommensklassen zwischen 1.000 und 1.600 DM RentnerInnen über 70.
(Statistisches Bundesamt 1997, 175)
Damit sollen nicht RentnerInnen diskriminiert werden. Die Verbrauchsausgaben von RentnerInnen sind
in wichtigen Ausgabenbereichen niedriger als die von erwerbsfähigen Personen. Das wiederum
führt dazu, dass die Regelsätze zu niedrig festgesetzt werden. Angaben über das unterschiedliche
Ausgabeverhalten von Personen über und unter 65 in der Sonderauswertung der untersten 20%
werden bisher geheim gehalten. Auch in der Veröffentlichung der EVS 2003 finden wir
dazu keine Anhaltspunkte mehr, nur noch in der Auswertung der EVS 1998.
345 € als politische Vorgabe
Was als relevant oder nicht eingestuft wird, hängt mehr von politischen Vorgaben als von
„wissenschaftlichen“ Analysen von Armutsexperten ab.
Vorgabe vor der Neufestsetzung des Regelsatzes für 2005 war: keine Erhöhung des
Regelsatzes über das bisherige Niveau hinaus. So kam es zu dem statistischen Wunder, dass
die für 1998 als regelsatzrelevant anerkannten Ausgaben von 630 DM exakt mit den
damaligen tatsächlichen Ausgaben für den Regelsatz plus dem Durchschnittsbedarf an
einmaligen Beihilfen im selben Jahr übereinstimmten (539 DM plus 90 DM). (vgl. Roth/
Thomé‚, Leitfaden Alg II/Sozialhilfe von A-Z, Frankfurt 2005, 177)
Um dieses Ziel zu erreichen, wurden u.a. die Prozentsätze, zu denen Ausgaben als relevant
anerkannt werden, teilweise gesenkt.
Die 345 € waren ein Kompromiiss zwischen dem enormen Druck des Kapitals auf die Senkung des Regelsatzes
und der Furcht vor den Wählern, wenn man das durchziehen würde. Schließlich stürzte die
SPD/Grünen-Regierung über Hartz IV, auch ohne Regelsatzsenkung.
Die 345 € des Regelsatzes ab 2006 entsprachen ähnlichen Überlegungen. Sowohl die von den Vertretern
des Kapitals verlangte Senkung als auch die von Erwerbslosen, VertreterInnen der LohnarbeiterInnen und
einem Teil der Wohlfahrtsverbände verlangten Erhöhungen sollten ausgeschlossen werden.
Seit langem fordern Arbeitgeberverbände und ihre Wissenschaftler (z.B. der Sach-
verständigenrat der Bundesregierung) und Politiker eine Senkung der Regelsätze um 25
bis 30% oder sogar die völlige Streichung, wie z.B. die
Bertelsmann-Stiftung und Hans-
Werner Sinn. Mit der Senkung des Eckregelsatzes wollen sie auch die Kinderregelsätze
senken. Zweck ist, damit in größerem Maßstab Lohnsenkungen zu ermöglichen.
Denn der Alg II/Sozialhilfebedarf hat die Funktion eines Mindestlohns. Je niedriger
Alg II und Sozialgeld sind, desto größer wird die Bereitschaft, zu sinkenden Armutslöhnen
zu arbeiten. Letzteres ist das Hauptziel.
„Es muss selbstverständlich und ‘zumutbar’ werden, Jobs zu Stundenlöhnen von zum Beispiel 3 oder 4 € anzunehmen.“
(DIHK, Mehr Chancen am Arbeitsmarkt - Für einen besseren Einstieg Arbeitsloser, Berlin Januar 2006)
Also müsste mit stärkeren Sanktionen und anderen Formen von Kürzungen des Regelsatzes
der notwendige Druck erzeugt werden, Drei-€-Jobs anzunehmen.
Genau das ist der Weg, den die jetzige christliche-soziale Bundesregierung geht. Dabei weht ihr
allerdings der schärfer gewordene Wind ins Gesicht, mit dem Lohnabhängige einen gesetzlichen
Mindestlohn verlangen, der zum Leben reicht.
Sie handeln gemäß der taktischen Richtlinie der Deutschen Bank:“ Das Niveau der Lohnersatzleistungen muss reduziert oder es müssen die Bedingungen für den Anspruch auf diese Leistungen verschärft werden.“
(Chefvolkswirt der Deutschen Bank Walter in Passauer Neue Presse 02.08.2006)
http://www.file-upload.net/download-...artz4.pdf.html