Auch wenn die Todeszeitpunktbestimmung bei den vier Opfern infolge verschiedener Zeugenaussagen (vor allem durch den Marstall-Wirt) eigentlich nicht benötigt wird (Tod der Schwestern ca. zwischen 23:30 und 01:00; Tod der Eltern ca. gegen 01:00; zu schließen auch jeweils durch die Aussagen des Wirts), wollte ich hier doch einmal diese forensische Analyse kurz beschreiben:
Die Bestimmung des Todeszeitpunkts kann mit Hilfe verschiedener Methoden bestimmt werden, wofür jeweils ein Rechtsmediziner notwendig ist(Pathologen sind in Krankenhäusern und nur für natürliche bzw. operationsbedingte Todesfälle zuständig):
- Reflexe, die mit Hilfe elektrischer Impulse ausgelöst werden
- pharmakologische Beeinflussung der Pupillenweite
- Überprüfung der Todesstarre (Erstarrung der Muskeln, beginnend ab dem Kiefergelenk bzw. mit kleinen Gelenken)
- Überprüfung der Totenflecken (Blut sinkt ohne Blutdruck in Richtung der Schwerkraft an die Haut und bleibt dort nach einer gewissen Zeit auch fixiert, so dass ein Umlagern die Totenflecken nicht mehr verändert)
- Überprüfung der Körperkerntemperatur sowie der Umgebungsbedingungen (Umgebungstemperatur, Bekleidung der Leiche, Sonneneinstrahlung, feuchte Kleidung, Wind, Fundort im Wasser, etc.)
Diese Methoden können nur jeweils in einem Zeitraum bis ca. 3 Tagen angewandt werden. Danach müssen indirekte Methoden z.B. der Entomologie (Insektenforschung) verwendet werden wo die Länge der Fliegen-Maden in Abhängigkeit der Liegezeit der Leiche eine Rolle spielt.
Für die ersten Methoden ein Auszug aus einem Merkblatt der Rechtsmedizin der Uni Zürich:
Zitat:
Institut für Rechtsmedizin Universität Zürich
Merkblatt zur fachgerechten Durchführung der Leichenschau
...
Todeszeit:
-Totenflecken: Ausbildung: ab 20-30 Min.
vollst. verdrängbar bis 6 Std
partiell fixiert ab 6-8 Std
fixiert ab 1 Tag
-Totenstarre: Ausbildung: ab 2-3 Std
max. 8-12 Std
Lösung: ab 2-3 Tage
-Auskühlung: Laborthermometer bis 8 cm tief ab ano:
37-35 Grad 1/2 Grad pro Std
35-27 Grad 1 Grad pro Std
ab 27 Grad 1/2 Grad pro Std
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http://www.irm.uzh.ch/download/fm/me...ichenschau.pdf
Zur Schätzung des Todeszeitpunkts mit Hilfe der Körperkerntemperatur:
Dazu wird meistens ein sogenanntes Nomogramm nach Henssge verwendet (mit eingezeichnetem Beispiel):
http://fr.wikipedia.org/wiki/Fichier...de_Henssge.png
Hier ist ein 15-seitiges Dokument des Instituts der Rechtsmedizin von der FU Berlin über das Thema Leichenschau (mit Darstellung des Henssge Nomogramms):
"Leichenschau"
http://cme.springer.de/pages/cmePage...-0163-5.pdf.do
Auf Seite 6 oben wird genau beschrieben wie man mit Hilfe des Nomogramms, der Körperkerntemperatur, der Umgebungstemperatur (max. 23 °C !), des Körpergewichts der Leiche und der äußeren Bedingungen der Leiche und des Leichenfundortes den ungefähren Todeszeitpunkt bestimmen kann (Standard: Nackte Leiche, Windstille = innerer Kreis; nicht Standard: Sonstige Bedingungen = äußerer Kreis, d.h. jeweils Zahl in Stunden +/-, also mindestens 2,8 Stunden +/-).
Zu Korrekturfaktoren beim Henssge-Nomogramms:
"Die ärztliche Leichenschau" von Burhard Madea, MyiLibrary
http://books.google.com/books?id=P3ZEDSBsL3AC (S. 89)
Genauere Erklärung zur Ermittlung der Köperkerntemperatur:
"Death Detectives - dem Tod auf der Spur" von Heike M. E. Andree
http://books.google.com/books?id=aOW_Q6BHJfoC (S. 14)
Zusammenfassung in einem Artikel der Welt:
"Nur mühsam läßt sich der Zeitpunkt des Todes bestimmen
5. Dezember 1998, 00:00 Uhr
Leichenflecken und Bizepsreflex: An einem Puzzle von Indizien können Rechtsmediziner erkennen, wann genau ein Mensch starb
Von Nicole Szlezak"
http://www.welt.de/print-welt/articl...bestimmen.html
Danach lässt sich also sagen, dass sowohl die Leichenmerkmale wie Totenstarre als auch die Bestimmung der Körpertemperatur selbst in einem kurzen Zeitraum bis 12 Stunden nach Todeszeitpunkt nur eine Eingrenzung auf ca. 1-3 Stunden zulässt.
Nach einem Artikel beim ZDF (
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/...555899,00.html) ging der Notruf bei der Polizei um 10:42 ein. D.h. ca. 11:30 bis 12:00 dürfte die Spurensicherung die Arbeit aufgenommen haben.
D.h. wiederum, dass da (12:00)die Töchter schon ca. 11 bis 12,5 Stunden und die Eltern ca. 11 Stunden tot waren.
Die Frage ist woher zum einen die Sprecherin in dem "Focus TV"-Bericht die Uhrzeit 1 Uhr hat, zu der die Eltern erschossen worden sind und woher die Polizei weiß, dass die Eltern gegen 0:30 das Lokal "Marstall" verlassen haben.
Beide Uhrzeiten können sich eigentlich nur aus den Aussagen des Wirts ergeben. Dann ist allerdings die Frage ob die Polizei, was sie vermutlich gemacht hat, auch nach dem Ablauf des gesamten Abends in Verbindung mit Familie H. gefragt hat und dann die gleichen Aussagen bekommen hat, wie auch im "Focus TV"-Bericht zu sehen war, eben mit der Aussage, dass die beiden Schwestern bis 23:00 im Marstall und eben nicht zu Hause waren.
Aus der Differenz 0:30 zu 1:00 muß man schließen, dass es bei den Eltern bei gemütlicher Gehgeschwindigkeit ca. eine halbe Stunde vom Marstall bis zur Friedhofstraße 89 gedauert hat.