So langsam müssen mittlerweile auch die Massenmedien zugeben, dass es sowas gibt und wirkt:
Wirkt die geheime Bildschirm-Botschaft?
Vieles was wir sehen, dringt nicht bis in unser Bewusstsein vor. Trotzdem reagiert unser Gehirn darauf. Kann man uns auf diesem Weg manipulieren?
Von Markus C. Schulte von Drach
Vieles, was unsere Augen wahrnehmen, erreicht nicht die Ebene unseres Bewusstseins. Denn etliche Reize wirken zwar auf unsere Retina, doch die Informationen, die sie enthalten, werden von zwischengeschalteten Hirnzentren herausgefiltert. Dazu kommt es etwa, wenn diese sogenannten subliminalen Informationen im Augenblick nicht relevant erscheinen - oder weil der Reiz schlicht zu kurz ist, um ihn bewusst wahrzunehmen.
Doch sind solche Sinneseinflüsse, deren wir uns nicht gewahr werden, auch ohne Einfluss? Oder lassen wir uns, ohne es zu wissen, anhand solcher "übersehener“ Reize leiten oder sogar manipulieren?
Seit Jahrzehnten jedenfalls gibt es Versuche, Menschen auf diese Weise direkt über ihr Unterbewusstsein zu beeinflussen. Bereits 1957 behauptete der Marktforscher James Vicary, er hätte heimlich die Aufforderungen "Trink Cola!“ und "Iss Popcorn!“ in Kinofilme eingeschmuggelt.
Zwischen die normalen Filmbilder hatte er immer wieder zusätzliche "Frames“ eingefügt, die zum Konsum der beiden Produkte aufriefen - mit Erfolg, wie Vicary behauptete. Der Konsum war angeblich um 80 Prozent nach oben gegangen.
Während die Werbebranche sich begeistert der neuen Technik bediente, war die Zielgruppe - die potentiellen Kunden - nicht erfreut. Doch die Aufregung legte sich. Das Käuferverhalten veränderte sich kaum, die Werbe-Waffe war offenbar nicht sehr scharf. Und Vicary gestand schließlich sogar, seine Ergebnisse gefälscht zu haben.
Doch damit ist das Thema Einflussnahme mit Hilfe subliminaler Reize nicht vom Tisch. Im Gegenteil: Immer wieder wird versucht, auf diese Weise heimlich Botschaften zu vermitteln.
Einen spektakulären Versuch startete etwa die Polizei in Wichita 1978. Seit Jahren verfolgten die Ermittler einen Serienmörder, den sogenannten BTK-Würger (Bind, Torture, Kill). Während einer im Fernsehen übertragenen Stellungnahme des Polizeichefs ließ der TV-Sender KAKE die Botschaft "Now call the Chief“ aufblitzen. Eine Reaktion des Mörders blieb allerdings aus.
Für einen Sekundenbruchteil dominierte das Wort "Rats" einen Wahlkampf-Spot der Republikaner im Jahr 2000.
Und während des US-Wahlkampfes 2000 zwischen George W. Bush und Al Gore veröffentlichten die Republikaner einen Spot, bei dem zusammen mit Bildern von Gore ein Teil des Slogans "Bureaucrats decide" so schnell eingeblendet wurde, dass es für das normale Auge nicht zu erkennen war. Die Werbe-Macher hatten in dem Wort den Teil "rats“ offenbar hervorgehoben, um eine unbewusste Assoziation zwischen dem Vizepräsidenten und Ratten hervorzurufen.
Außer Empörung auszulösen hatte der Film der Republikaner vermutlich keine Wirkung hervorgerufen.
Über einen weiteren spektakulären Versuch berichtete kürzlich der kanadische Fernsehsender CBC. Demnach hatten bei Glücksspielautomaten in der Provinz Ontario immer wieder kurz Gewinnsymbol-Kombinationen aufgeblinkt. Offenbar hatte der Automaten-Hersteller gehofft, Spieler zum Weiterspielen zu animieren, indem sie ihnen das Gefühl gaben, bereits gewonnen zu haben. Doch auch hier ist unbekannt, wie effizient die Methode war. Und auch hier war die Empörung in der Bevölkerung groß.
Ist die subliminale Werbung demnach eine Sackgasse?
Nicht unbedingt.
Manipulierende Forscher
Tatsächlich lässt sich menschliches Verhalten über nicht bewusst wahrgenommene Reize beeinflussen. Wie zum Beispiel der Hirnforscher Gerhard Roth erklärt, gibt es Versuche, in denen die Testpersonen sich dafür entscheiden sollen, einen von zwei Knöpfen zu drücken - rechts oder links. Wird ihnen kurz zuvor auf einem Monitor für 30 Millisekunden - und damit zu schnell für ihr Bewusstsein - ein Pfeil gezeigt, folgen sie gerne dieser Empfehlung.
Ein interessantes Experiment hat auch Rolf Reber von der Universität Bern unternommen. Der Psychologe zeigte seinen Versuchsteilnehmern auf einem Bildschirm zum Beispiel die Worte Trauer oder Freude. Möglichst schnell sollten die Probanden daraufhin einen Knopf drücken: Bei "Trauer“ links, bei "Freude“ rechts.
Infamerweise blendete der Wissenschaftler gleichzeitig manchmal Gesichter mit traurigem oder fröhlichem Gesichtsausdruck ein - natürlich zu schnell, als dass die Beobachter es wahrgenommen hätten. Wurde nun zum Begriff "Trauer“ ein lachender Mensch präsentiert, reagierten die Versuchsteilnehmer deutlich langsamer, als wenn ein Foto eines unglücklichen Menschen aufblitzte.
Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren konnten Wissenschaftler die Spuren der bewusst und unbewusst wahrgenommenen Reize auch schon im Gehirn nachweisen und ihre unterschiedliche Wege ein Stück weit verfolgen. So berichtete kürzlich Bahador Bahrami vom University College London, dass es ihm und seinen Kollegen gelungen sei, nachzuweisen, dass die ultrakurzen Blitz-Bilder sogar im Sehzentrum des Gehirns Aufmerksamkeit erregen - ohne dass wir uns dessen bewusst werden.
"Ich glaube“, so erklärte Bahrami, "dass subliminale Werbung unsere Entscheidungen beeinflussen kann - aber zu diesem Zeitpunkt ist das noch reine Spekulation“.
Also: Es geht. Menschen nehmen nicht nur Reize unbewusst wahr - sie lassen sich davon manchmal auch beeinflussen. Nur mit der Werbung ist das noch so ein Problem.
Denn die Möchtegern-Manipulatoren müssen noch ein großes Problem lösen: Die Botschaften dürfen nicht zu komplex sein. Und auch bereits bestehende Einstellungen oder Verfassungen sowie äußere Umstände spielen offenbar eine wichtige Rolle.
Doch es muss damit gerechnet werden, dass die Werbe-Industrie versuchen wird, diese Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Bereits jetzt gibt es intensive Bestrebungen, mit Hilfe von Hirnforschern herauszufinden, welche Reize auf welche Weise dargeboten werden müssen, um die Aufmerksamkeit potentieller Kunden auf möglichst nachhaltige Weise zu erregen.
Vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese Erkenntnisse auch dazu genutzt werden, Werbung zu entwickeln und zu optimieren, die unterhalb der Wahrnehmungsschwelle reizt. Und zumindest in den USA ist es derzeit sogar legal, diese Werbung einzusetzen.
http://www.sueddeutsche.de/wissen/artikel/357/120206/