Hallo Amazonia,
das ist eine interessante Frage, die du aufwirfst, und ich hoffe, du bist nicht enttäuscht, daß so ein langer Text kommt. Und ich setze mich natürlich wieder zwischen alle Stühle, wie ich es immer gerne tue.
Zum Thema Zitate hatten wir schon eine Debatte. Ich möchte noch hinzufügen, daß ich das alles auch mit eigenen Worten ausdrücken könnte, aber das wäre erstens einige Arbeit, zweitens sehe ich oft, daß irgendjemand etwas viel besser ausdrücken kann als ich, und drittens erkenne ich damit die Unsterblichkeit dieser Leute an. (Plädierend für ein Grundrecht auf Unsterblichkeit
)
Was ist Natur? Nehmen wir einmal an, die Natur folgt irgendwelchen Naturgesetzen. (und ich weiß auch, daß es Leute gibt, die an soetwas nicht glauben). So würde ich sagen, das wären für mich die Gesetze Gottes. Und wie man solche Gesetze ermittelt, das wäre eigentlich ganz einfach. Wenn z.B. jemand einen Vorschlag bringt, so könnte man das danach beurteilen, ob und wann (bzw. für welche Zwecke) es funktioniert. Dann könnte man es vielleicht für ein Gesetz Gottes halten. Nehmen wir z.B. die Schwerkraft-Gesetze von Isaak Newton. Sie gelten immer noch. Auch wenn Einstein Ergänzungen dazu brachte, so wurden sie keineswegs außer Kraft gesetzt.
Spätestens seit Galileo Galilei lacht sich die Wissenschaft doch tot über die Pfaffentrotteln, auch wenn vielen Wissenschaftlern das gar nicht so bewußt ist. Die Verarschung durch die Pfaffen ging doch so weit, daß man schließlich überein kam, jeglichen Gottesbeweis zu verbieten. Anders konnte man sich der Verblödung nicht mehr erwehren.
Nun aber leben wir aber in einer Welt, in der das Oberste zuunterst gekehrt wird. Der Mensch lebt um zu arbeiten, anstatt daß er arbeitet um zu leben. Die Intelligenz muß dem Geld folgen, anstatt daß das Geld der Intelligenz folgt. Wir alle müssen unsere spirituellen und magischen Kräfte dazu nutzen, um tadellos zu funktionieren, und daher gibt es meines Erachtens eine Ausbeutung der Spritualität. Aber diesen Themenkreis versuchte ich bereits anzusprechen, und er kann auch den Pfaffen zur Last gelegt werden, die nicht einmal wissen wollen, was in der Bibel steht.
Für meinen Teil jedenfalls richte ich mein Leben ein nach den wenigen Dingen, die ich sicher weiß, und schon damit kann ich in ähnlicher Weise die Pfaffen der Gotteslästerung bezichtigen, wie es Goethe einmal getan hat:
Du nennst das Evangelium die göttlichste Wahrheit? Mich würde eine vernehmliche Stimme aus dem Himmel nicht überzeugen, daß das Wasser brennt und das Feuer löscht und ein Weib ohne Mann gebärt und ein Toter aufersteht; vielmehr halte ich dies für Lästerungen gegen den großen Gott und seine Offenbarung in der Natur. In diesem Glauben ist es mir ebenso heftig ernst wie Dir in dem Deinen.
(Goethe, an Lavater, 9.8.1782)
__________________________________________________ _________
Wo könnte man nun praktisch beginnen, ein Naturgesetz darzustellen? Ich versuche es einmal mit Toleranz. Also was ist eine Toleranz?
Weil mein beruflicher Hintergrund ein technischer ist, beginne ich so:
Stell dir vor, wir beide bauen etwas zusammen, und du bittest mich, eine Eisenstange auf einen Meter Länge abzuschneiden. Das könnte mich in große Probleme stürzen, denn sicherlich würde ich dir den Gefallen tun wollen, dich mit meiner absoluten Perfektion zu beglücken. Genauer als auf die Breite eines Atoms wird es sowieso nicht gehen. Ich kaufe mir also einen Maschinenpark, der mir das ermöglicht, und stelle fest, daß ich mit allem Geld der Welt das leider nicht kaufen kann, abgesehen davon, daß sich bei einer geringen Temperaturänderung das Ergebnis schon verfälscht. Und das Metermaß vom Baumarkt wird auch nicht genau genug sein, also werde ich nach Paris reisen, um den Urmeterstab zu inspizieren.
Nein Spaß beiseite. Ich werde dich natürlich fragen, ob es auf plusminus 1 cm genau reicht, und sollten wir uns darauf einigen können, dann macht es nicht einmal etwas aus, wenn ich das Material schief absäge.
Könnte es sein, daß der Genauigkeit, oder sogar dem Genau-wissenwollen prinzipielle Grenzen gesetzt sind? Müßig ist es auch, in diesem Zusammenhang auf den (Kosten-)Aufwand der totalen Überwachung zu verweisen.
Betrachten wir das etwas genauer. Da war es Werner Heisenberg, der da etwas Wichtiges entdeckt hat. Ich bringe hier einfach einen kurzen Abriß der Unschärferelation:
Um die Eigenschaften wie Ort und Geschwindigkeit eines Elementarteilchens festzustellen, bestrahlt man dieses mit Licht. Aufgrund der Streuung oder Interferenz des Lichtes kann man auf das Teilchen schließen. Nun sind aber solche Teilchen sehr klein, um einiges kleiner als die Wellenlänge des Lichtes. Um genauere Messungen zu bekommen, ist es deshalb nötig, Licht mit einer kürzeren Wellenlänge zu verwenden. Dieses Licht allerdings verfügt über eine höhere Energie, welche die Geschwindigkeit des Teilchens beeinflußt. Man kann also nur entweder Ort oder Geschwindigkeit feststellen.
Heisenberg hat bewiesen, daß eine gewisse Unsicherheit bezüglich Ort und Geschwindigkeit prinzipiell niemals ausgeräumt werden kann.
Bei der Erforschung des Lichtes hat man außerdem entdeckt, daß Licht sich in manchen Versuchen als Teilchen und in anderen Versuchen als Welle zeigt. Man spricht vom Doppelcharakter des Lichtes.
So ist man draufgekommen, daß die Wahl unserer Versuche und somit unsere Gedanken und unsere Betrachtungsweise Einfluß nehmen auf diese Welt.
Daraus ergibt sich nun eine interessante Erkenntnis: Wenn man sagt: Ein Ereignis ist nicht festgelegt", so hat man bisher in Zeitbegriffen gedacht. Nach dem Motto: "Es wird sich nach einiger Zeit herausstellen". Jedoch verschwindet nun die Zeit aus diesem Spiel, denn die Festlegung von Ereignissen wird zur Frage der Einstellung und somit zu einer Funktion des Bewußtseins.
Es gibt aber noch ein viel einfacheres Beispiel:
Wer mißt, mißt Mist (pflegte unser Elektrotechniklehrer zu sagen).
Ich messe einen Schwachstrom. Das Meßgerät verbraucht aber selbst Strom. (hat einen Innenwiderstand) Daher ändert sich der wirklich fließende Strom, weil unser "Wissensdurst" Strom verbraucht. Im Grunde heißt das: Mein Wissenwollen verändert die Welt, und zwar nicht im Sinne der Tatsachenfeststellung. Daher ist es angemessen, eine Fehlerrechnung zu unternehmen, die aber, je genauer sie sein soll, immer mehr Aufwand treibt. (Ganz abgesehen von anderen Fehlerquellen, die auch noch zu berücksichtigen wären. Zu genau 100% die Fehler festzusetellen, würde womöglich theoretisch das ganze Universum verbrauchen.)
Subjekt und Objekt sind also nicht mehr zu trennen. Das ist die Konsequenz, die man wissenschaftlicherseits ganz allgemein daraus zieht.
So ergibt sich im Grenzbereich der Wissenschaft irgendwie eine Ähnlichkeit zum Grenzbereich der "Seele".
Und so ist es auch wenig erstaunlich, zu welcher Erkenntnis er kam:
"Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch; aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott."
Werner Heisenberg, Physiker (1901-1976)
Die Natur ist so gemacht, daß sie verstanden werden kann. Oder vielleicht sollte ich richtiger sagen, unser Denken ist so gemacht, daß es die Natur verstehen kann.
Werner Heisenberg, Physiker (1901-1976)
Man hat den Eindruck, daß die Wissenschaft sich sozusagen auf breiter Front einem Gebiet nähert, in dem das Leben und Sterben der Menschen im großen und in der unheimlichsten Weise vom Handeln einzelner ganz kleiner Menschengruppen abhängig werden kann.
Werner Heisenberg, Physiker (1901-1976)
Eine Bemerkung noch zu diesem Mann. Vielfach wird angenommen, daß er ein Nazi war. Ich halte das aber für ein Gerücht. Ganz im Gegenteil. Da gibt es nämlich ein verräterisches Zitat von ihm:
Ein Fachmann ist ein Mann, der einige der größten Fehler kennt, die man in dem betreffenden Fach machen kann, und sie deshalb zu vermeiden versteht.
(Werner Heisenberg, dt. Atomphysiker, 1901-1976)
Tatsache ist nun einmal, daß er die Atombombe nicht für die Nazis erfunden hat, und ich frage mich, was hat der gute Mann alles durchmachen müssen, damit das nicht herauskommt, bzw. welche Kompromisse musste er mit den Nazis eingehen, damit der nicht aufgeflogen ist? Ich würde sogar soweit gehen, zu behaupten, es könnte sogar sein, daß wir alle es ihm zu verdanken haben, daß wir überhaupt geboren worden sind.
Grund genug also, uns jeden geschenkten Tages unseres Lebens zu erfreuen.
Und wer den pfadlosen Weg gehen will, der tut gut daran, das Wissen vom Ende des Wissens in der Tasche zu haben.
__________________________________________________ ____
Daß zuviel Toleranz aber auch nicht gut und sinnvoll ist, das ist klar. Dazu der umstrittene Karl Popper:
Karl Popper über Toleranz
Flaschenpost aus dem Jahre 1944.
Weniger bekannt ist das Paradox der Toleranz: Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.
Wird neuerdings auch gerne als "die Ode an die Toleranzdeppen" bezeichnet.
Wilhelm Busch konnte das auch einfacher sagen:
Toleranz ist gut. Aber nicht gegenüber Intoleranten".
(Wilhelm Busch, dt. Zeichner u. Dichter, 1832-190
freundliche Grüße