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USA errichten AFRICOM, Pentagon plant Strategie für Rohstoffkriege - Von F. William Engdahl, 31.10.2008 20:02
Wegen des Chaos auf dem US-Finanzmarkt fand ein besonderes Ereignis kaum Beachtung: am 1. Oktober bildete das Pentagon offiziell ein neues militärisches Kommando, AFRICOM. Die Schaffung dieser besonderen Militäreinheit, die sich insbesondere auf die 53 Länder des afrikanischen Subkontinents konzentrieren wird, ist ein deutliches Zeichen für Washingtons Sorge, die wirtschaftliche Kontrolle über die Rohstoffe des vergessenen Kontinents zu verlieren. Der unausgesprochene Grund für das plötzliche Interesse der US-Militärs an Afrika ist allerdings China. Das United States Africa Command (AFRICOM), das neue Unified Combatant Command (Einsatzkommando mit vereinigten Kompetenzen) des US-Verteidigungsministeriums, ist für die Militäroperationen der USA in 53 afrikanischen Ländern verantwortlich:
das heißt. in ganz Afrika, außer Ägypten - sowie für die militärischen Beziehungen mit diesen Ländern. AFRICOM wurde am 1. Oktober 2008 vollkommen eigenständig und übernahm offiziell das Kommando über die US-Militäroperationen in der genannten Region. Die Entscheidung, diese eigenständige Afrika-Division zu schaffen, war bereits im Juni 2007 von Ryan Henry, dem stellvertretenden Staatssekretär für politische Angelegenheiten im US-Verteidigungsministerium, bekanntgegeben worden. Er betonte damals, die Pläne für die Einsatz-Kommandos sähen statt eines einzigen Hauptquartiers ein »aufgeteiltes, aber vernetztes Kommando« in mehreren Ländern vor. Nach Angaben eines Pentagon-Sprechers solle das AFRICOM-Hauptquartier seinen Sitz in Stuttgart haben. Warum behandelt Washington, das mehr als 50 Jahre lang Afrika - mit Ausnahme von Südafrika, Angola und Mosambik - sträflich vernachlässigt hatte, diesen Kontinent plötzlich jetzt so vorrangig und stellt die nötigen Finanzmittel bereit, um ein eigenständiges Militärkommando auf dem schwarzen Kontinent zu errichten?
Die Strategie zur Modernisierung der Armee 2008
Die Antwort liegt in dem soeben veröffentlichten Pentagon-Dokument namens 2008 ›Army Modernization Strategy‹ -zu deutsch: Strategie zur Modernisierung der Armee 2008 1. In diesem Dokument wird, vorsichtig ausgedrückt, die Umfassung des gesamten Universums, und nicht nur der ganzen Welt, zum strategischen Ziel der US-Armee erklärt. Washingtons Strategen fordern »eine Armee, die wie eine Expeditionsstreitkraft in der Lage ist, sich kampagnenartig in allen Konflikten durchzusetzen, zu jeder Zeit, in jeder Umgebung und gegen jeden Gegner - und das auf lange Sicht«. Nur selten in der Geschichte hat eine Armee derart umfassende und weitreichende Ziele ausgegeben. Es ist höchst bedeutsam, daß die Strategen dieses Dokuments davon ausgehen, daß die USA in den nächsten »30 bis 40 Jahren« an ständigen Kriegen zur Kontrolle der Rohstoffe beteiligt sein werden.
Unter eindeutigem Bezug auf China und Rußland wird in dem Pentagon-Dokument erklärt: »Uns droht eine mögliche Rückkehr zu traditionellen Sicherheitsbedrohungen durch neu auftretende, fast ebenbürtige Mächte, und zwar jetzt, wo wir im weltweiten Wettstreit um knapper werdende Rohstoffe und Überseemärkte stehen.« Die einzigen »neu auftretenden, fast ebenbürtigen Mächte« auf der Welt sind heute China und Rußland. China sucht derzeit überall auf der Welt nach sicheren Quellen für Öl, Metalle und andere Rohstoffe, um seine Wachstumsziele erfüllen zu können. Aber auch Rußland spielt, wie ich in meinem Buch ›Apokalypse jetzt!‹ dargelegt habe, eine strategische Rolle, nämlich als Lieferant großer Mengen wichtiger Ressourcen, von Öl und Gas bis hin zu praktisch allen Metallen und Rohstoffen, die für hochentwickelte Industrieländer wichtig sind. Rußland spielt neben Südafrika und anderen Staaten des südlichen Afrikas in dieser Hinsicht eine Schlüsselrolle, weil es über strategische Rohstoffe verfügt, die nicht unter der Kontrolle der USA stehen - das ist zweifellos ein wichtiger Faktor hinter Washingtons militärischer Konfrontationspolitik zur Einkreisung Rußland unter Einsatz der NATO seit 1991.
Dieses neue Pentagon-Dokument ist die Fortschreibung der Doktrin, die Andrew Marshall, der einsam und zurückgezogen wirkende Architekt der zukünftigen Pentagon-Strategie, entwickelt hatte. Marshall war 1973 von der RAND Corporation zum Pentagon gekommen und wurde vom damaligen US-Präsidenten Nixon zum Vorsitzenden einer eigens errichteten strategischen ›Denkfabrik‹ im Pentagon, dem ›Office of Net Assessment‹ ernannt, das direkt dem Verteidigungsminister unterstellt ist. Nach Aussagen von Bekannten, die Marshall begegnet sind, ist der heute 87-Jährige ein Mann, der selten spricht. Er hört lieber zu und kümmert sich darum, viele Schüler auszubilden, die seine sogenannte »Revolution in Military Affairs« (RMA, Revolution in militärischen Angelegenheiten) umsetzen sollen. Nein, die Altersangabe 87 Jahre ist kein Irrtum. Marshall wurde 1921 geboren, und seit 1973 hat ihn kein Präsident entlassen können, obwohl einige es durchaus versucht haben. Zu Marshalls Protégés gehören Dick Cheney und Donald Rumsfeld. Dieser Andrew Marshall überzeugte Rumsfeld und Cheney 2001 davon, daß die Stationierung von Anlagen zur strategischen Raketenabwehr an den Grenzen Rußlands der USA die langersehnte atomare Vorherrschaft verschaffen würde, also die Fähigkeit, einen atomaren Erstschlag gegen Rußland zu führen und die russische Verteidigung auszuschalten. Ob in Zukunft Krieg oder Frieden in der Welt herrschen werden, liegt in jeder Hinsicht in Marshalls Hand. Das ist, vorsichtig formuliert, etwas beunruhigend. Marshall gilt als Pate der Neokonservativen und insbesondere seiner früheren Schützlinge Richard Perle, Paul Wolfowitz und den meisten, die für die Pentagon-Operationen der Regierung Bush-Cheney verantwortlich waren. Dieses Streben nach atomarer Vorherrschaft steht tatsächlich hinter der scharfen Reaktion Rußlands auf scheinbar kleinere Provokationen wie in Südossetien oder dem Wunsch der USA, die Ukraine in die NATO zu integrieren. Marshall ist auch der Architekt von Rumfelds Strategie des Irakkriegs unter Miteinbeziehung des »elektronischen Schlachtfelds« und der »vernetzten«, mit dem Internet verbundenen Soldaten, also der GPS-Aufklärung.
US-Pläne für »dauerhaften Krieg« in Bezug auf Rohstoffe
Das Dokument gibt Einblick in eine Reihe höchst bedeutsamer - und alarmierender - strategischer Positionen, die bereits zur offiziellen Doktrin der US-Streitkräfte geworden sind. In der Präambel wird von der Zukunft eines Kalten Krieges gesprochen, der ein »dauerhafter Krieg« sein wird. Der verantwortliche Beamte des Pentagons, General Stephen Speakes, erklärt in seinem Vorwort: »Dieses Dokument 2008 unterscheidet sich grundlegend von dem früherer Jahre. In diesem Jahr kommen wir mit einer kurzen Beschreibung unserer Strategie zur Modernisierung direkt zum Kern der Sache und beschreiben die Ziele, Wege und Mittel, wie wir das ›Army Equipping Enterprise‹ nutzen wollen, um das gesetzte Ziel zu erreichen: Soldaten, die mit der besten verfügbaren Ausrüstung ausgestattet sind, was unsere Armee zur dominierenden Landstreitmacht der ganzen Welt macht, mit den umfassendsten Fähigkeiten. Amerika befindet sich in einer Zeit dauerhafter Konflikte, die unsere Kräfte auch weiterhin beanspruchen werden. Um diesen Kampf zu gewinnen, brauchen wir eine Armee, die für einen langfristigen Kampf gerüstet ist, die mit allem ausgestattet ist, was die Soldaten brauchen, um ihre umfassenden Aufgaben erledigen zu können.« 2 In dem Pentagon-Dokument heißt es außerdem: »Wir sind in eine Ära dauerhaften Konflikts eingetreten ... (wir befinden uns) in einer Sicherheitsumgebung, die weniger eindeutig und vorhersagbar ist als während des Kalten Krieges.« Dann werden die Charakteristika dieser kommenden »Ära dauerhafter Kriegführung« beschrieben. Zusätzlich zu der üblichen Rhetorik über Terroristen, die Massenvernichtungswaffen einsetzen, erklärt die US-Armee bedeutsamerweise zum ersten Mal seit Henry Kissingers ›National Security Strategic Memorandum-200‹ unter Präsident Ford, daß zu ihrer offiziellen »Mission« die Kontrolle des Bevölkerungswachstums in rohstoffreichen Ländern gehört.
Das Dokument benennt »Bevölkerungswachstum« als herausragende Bedrohung der Sicherheit der USA und seiner Alliierten und ruft zu Kriegen in Bezug auf die Rohstoffkontrolle auf. Zwischen beiden bestehe ein Zusammenhang: Das Bevölkerungswachstum - besonders in den unterentwickelten Ländern - wird einen entstehenden ›Youth Bulge‹ - worunter das starke Anwachsen der jüngeren Generation zu verstehen ist - regierungsfeindlichen und radikalen Ideologien aussetzen, die die Stabilität der Regierung potentiell bedrohen. Der Wettstreit um Ressourcen, den wachsende Bevölkerungen und sich ausweitende Volkswirtschaften mit sich bringen, wird immer größere Mengen von Nahrungsmitteln, Wasser und Energie verbrauchen. Staaten oder Einheiten, die diese Ressourcen kontrollieren, werden sie als Hebel bei ihren Sicherheitsberechnungen einsetzen 3.
Die zwei offiziellen Prioritäten des Pentagons, den ›Youth Bulge‹ in der Bevölkerung rohstoffreicher Entwicklungsländer unter Kontrolle zu halten, und zu verhindern, daß China und Rußland den Bezug von Nahrungsmitteln, Wasser und Energie aus dem Entwicklungssektor kontrollieren, sind die wirklichen Gründe für die Einrichtung von AFRICOM. Bushs Präsidentenverfügung wurde nur wenige Wochen, nachdem die chinesische Regierung über 40 afrikanische Staatschefs nach Peking eingeladen hatte - was man in Washington nie für nötig befunden hatte - erlassen. Von Darfur, wo China »zufällig« eine Konzession für die Erschließung großer Ölquellen von der sudanesischen Regierung erhalten hat, über Nigeria, den Tschad bis Südafrika, bemüht sich Washington, dem wachsenden Einfluß Chinas und Rußlands in Afrika entgegenzutreten. In dem Maße, in dem wachsende Bevölkerungen im Entwicklungssektor als Bedrohung ausgemacht werden, unterstreicht die neue Strategie des Pentagons verschiedene Paradigmenwandel darüber, wie zukünftige Kriege geführt werden sollen. Zu der darin enthaltenen Prognose gehört: Die kürzlich von der [US-]Armee bekanntgegebene neueste Doktrin, die ›FM 3-O Operations‹, enthält eine Anleitung zum Vorgehen in einer ungewissen Zukunft und dient als Haupttriebkraft für Veränderungen der Entwicklung unserer Organisation, unseres Trainings, der Entwicklung unserer Führung, der Personalpolitik und des Materials. legt fest, wie die Kommandeure offensive, defensive und stabilitätsbezogene oder zivile Operationen gleichzeitig durchführen sollen. ›FM 3-0‹ erkennt an, daß Operationen im 21. Jahrhundert Soldaten verlangen, die sich in verschiedenen Bevölkerungen und Kulturen aktiv engagieren, anstatt diesen möglichst aus dem Weg zu gehen 4.
Die Kriege der Zukunft: Roboter, vernetzte Soldaten, Kriege im Weltraum
Der Rest des Dokuments widmet sich der detaillierten Beschreibung, wie eine verschlankte reine Freiwilligenstreitkraft der USA - die ungefähr eine Million Soldaten und Angehörige der Luftwaffe und Marine umfassen soll - in vielen Ländern unterschiedlicher Zeitzonen eine ständig präsente, internationale offensive Stellung halten kann. Es wird beschrieben, wie Informations- und Kommunikationstechnik sowie digitale Technik einen neuen »vernetzten« Soldaten schaffen werden - den »Krieger der Streitkräfte der Zukunft«, der in der Zielbevölkerung eingesetzt wird und gleichzeitig entfernte unbemannte Waffensysteme in der Luft und am Boden bedient. Um dieses Ziel zu erreichen, weitet das US-Militär sein Inventar an computergesteuerten Waffen am Boden und unbemannten Flugkörpern rasch aus. Nach Angaben des strategischen Dokuments wird die Ausstattung relativ kleiner US-Kampfeinheiten in Brigadestärke mit immer größeren Flotten ferngesteuerter unbemannter Waffensysteme Washington in die Lage versetzten, ihre verkleinerten Streitkräfte mit maximalem Effekt gegen den entstehenden internationalen ›Youth Bulge‹ einsetzen zu können. Wörtlich heißt es in dem Dokument: »Der Weltraum ist ein wichtiger Bereich einer gemeinsamen Entwicklung, die nicht nur die Aufmerksamkeit auf die Kriegsführung im Weltraum lenkt und nicht nur das Rückgrat für den Aufbau der zivilen und militärischen Aufklärung liefert, sondern auch den bevorzugten Raum für kommerzielle breit angelegte Erkundungsaufgaben mit militärischer Nutzung bildet.« Zusammen mit der ›US Missile Defense Agency‹ (Amt für Raketenabwehr) entwickelt das US-Militär derzeit »weltraumgestützte Anlagen zur ständigen Beobachtung der Welt«. Dieselbe Missile Defense Agency betreut auch die Stationierung von Raketenstellungen in Polen und strategischen Radaranlagen in der Tschechischen Republik, die einen nuklearen Erstschlag der USA gegen Rußland möglich machen sollen. Der Report rechtfertigt die Weltraumkriegsführung damit, daß »Weltraumeinheiten der Armee global eingesetzt werden, um die Bemühungen der USA zu unterstützen, [den weltweiten Krieg gegen den Terror] führen und gewinnen zu können . .... Die amerikanischen Operationen zur militärischen Kontrolle des Weltraums sichern der USA und ihren Alliierten die Handlungsfreiheit im Weltraum und verwehren, falls erforderlich, einer feindlichen Nation die Handlungsfreiheit im Weltraum.«
Anmerkung politonline d.a. Von den eigentlichen Besitzern der zu kontrollierenden Ressourcen, was vermutlich gleichbedeutend damit ist, diese in Beschlag zu nehmen, ist nirgendwo die Rede. Das Wort Frieden für die Zukunft ist offensichtlich eliminiert. Es stellt sich somit die Frage, wie es gelingen kann, unsere Politiker aufzurütteln, um zu verhindern, dass diese Zukunft den Ausbrütungen von Gehirnen dieser Art ausgeliefert wird.
[1] Stephen M. Speakes, Lt.Gen., 2008 ARMY MODERNIZATION STRATEGY, 25. Juli 2008, Department of the Army, Washington D.C.
[2] Ebenda, Vorwort.
[3] Ebenda, S. 6.
[4] Ebenda, S. 7.
Quelle:
KOPP-EXKULSIV:
http://info.kopp-verlag.de/news/kopp...offkriege.html 3. 10. 08