Der Exportweltmeister in der Euro-Falle
Die Schaffung der Eurozone ohne koordinierte Wirtschaftspolitik, quasi eine Eurozonen-Wirtschaftsregierung, war ein schwerer Fehler. Das zeigt sich besonders jetzt in der Weltwirtschaftskrise für Deutschland, weil nun die Beistandspflichten für Eurozonenmitglieder akut werden, die eigentlich gar nicht vorgesehen sind. Doch der Euro war eine Mißgeburt vom ersten Tag an: eine Kunstwährung ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik, mit stark auseinanderlaufenden Inflationsraten, Handelsbilanzen, Wirtschaftsentwicklungen und Staatsschulden.
Positiv läßt sich eigentlich nur vermerken, daß man als Tourist in der Eurozone nicht mehr zur Wechselstube gehen und Provision berappen muß. Unternehmen können beim Handel in der Eurozone langfristig ihre Erlöse ohne Wechselkursrisiko kalkulieren.
1. Etwas Geschichte
Die Mißgeburt der Einheitswährung kam zustande, weil Kohl wegen der Ängste um die deutsche Wiedervereinigung ein politisches Signal an Frankreich setzen wollte, wonach die Allmacht der Deutschen Bundesbank in Europa zu Ende kommen sollte. Weder Kohl, noch der in diesem Projekt besonders engagierte Genscher, verstanden viel von Wirtschaft. Hinzu kamen technokratische Beamte, die glaubten, mit dem Stabilitätspakt von Maastricht zur Defizitbegrenzung nationaler Haushalte alle Probleme gelöst zu haben. Der schon abgetretene Helmut Schmidt machte seine Sorgen vor deutschen Beistandszahlungen an schlapp machende Eurozonenpartner öffentlich. Doch das half nicht gegen die Borniertheit von Kohl, Genscher u.Co..
Kohl - beraten vom jetzigen Bundespräsidenten (damals Leiter der Grundsatzabteilung und dann Staatssekretär im Bundesfinanzministerium) - meinte, nur mit der Einheitswährung einen neuen Krieg in Europa verhindern zu können. Die französische Regierung wollte das Diktat der Deutschen Mark in der EU loswerden. Genscher meinte, daß man Europa so voranbringen könnte. Italien zog in den Euro, um die Verzinsung seiner hohen Lira-Schuld in einen viel niedrigeren Eurozins abzusenken. Griechenland mogelte sich sogar mit falscher Statistik zu seinen staatlichen Defiziten hinein. Aus dem gleichen Grund der Zinssenkung meldeten sich schon weitere hochverschuldete EU-Länder aus Osteuropa, wie Polen oder die baltischen Länder zum Beitritt an.
Die Diskussion in Deutschland versteifte sich leider auf den Teuro, also den einmaligen Inflationsschub bei der Euroeinführung. Doch die langfristigen Nachteile sind viel dramatischer.
2. Alles läuft auseinander
Mangels wirksamer Koordinierung der Wirtschaftspolitiken liefen die Inflationsraten in der Eurozone entgegen den Hoffnungen der Autoren dieses Systems nie parallel und konnte die EZB nie einen Zins setzen, der für alle paßte. So war die Inflation seit 2000 in mehreren Ländern doppelt oder fast doppelt so hoch als in Deutschland (Abb. 06004). Der EZB-Zins war in der Regel für Deutschland zu hoch und dämpfte das sonst mögliche Wachstum und für die Boomländer, wie Irland oder Spanien, viel zu niedrig; man kann sogar sagen, daß es dort nicht so zu Immobilienblasen gekommen wäre, wenn die EZB den Zins dort hätte wesentlich höher ansetzen können.
Die Nachfrage privater Haushalte entwickelte sich extrem unterschiedlich, wobei Deutschland mit einer stagnierenden Nachfrage auch die Exporte der Eurozonenpartner nach Deutschland ausbremste (Abb. 13680).
Die Staatsverschuldung wuchs ebenso unterschiedlich und reicht nun von 18 % des BIP für Luxemburg bis 113 % für Italien (Abb. 0608
.
3. Der Anpassungsmechanismus der Wechselkurse wurde mit verheerenden Folgen ausgeschaltet
Vor allem aber konnten Anpassungen der unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr über den Wechselkurs stattfinden, wie es sonst zwischen Ländern mit unterschiedlicher Wirtschafts- und Arbeitskostenentwicklung absolut normal ist. Deutschland schuf sich durch eine negative Lohnpolitik und den Druck eines absichtlich aufgebauten riesigen Niedriglohnsektors ohne flächenddeckende Mindestlöhne einen künstlichen Wettbewerbsvorteil. Die deutschen Löhne und Gehälter haben sich auf der Basis der Eurostatdaten seit dem Jahr 2000 weit schlechter entwickelt als die aller anderer Vergleichsländer. Das Wegdriften nach unten ist besonders seit 2004 sehr ausgeprägt (Abb. 12990). Ohne den Euro und den fehlenden Wechselkursmechanismus hätte es wenig Interesse geben, eine solche Niedriglohnpolitik zu verfolgen, weil die Effekte eines besseren Exports immer wieder durch Wechselkursanpassungen zu Nichte gemacht worden wären.
So begann Deutschland, gewaltige Exportüberschüsse in der Eurozone aufzubauen, die nicht mehr durch Währungsanpassung zu kontrollieren waren. 2007 hatte die Eurozone bereits 58,4 % am deutschen Exportüberschuß und war der Eurozonenüberschuß gegenüber dem Jahr 2000 auf das Zweieinhalbfache gestiegen (Abb. 14639).
Schlimmer noch: Deutschland exportierte im Schutz des vergleichsweise niedrigen Euroaußenkurses, der durch die insgesamt ausgeglichene Außenhandelssituation der Eurozone gedämpft wurde, auf Teufel komm raus und baute nach China den bei weitem größten Leistungbilanzüberschuß auf (Abb. 03870). Die ganze deutsche Industriestruktur wurde immer mehr auf Export umgestellt, vom Luxusauto angefangen. Nun ist diese vom Euro und einer falschen deutschen Wirtschafts- und Sozialpolitik verschuldete Blase geplatzt.
Der Euro hat sich also zu einer gewaltigen Droge für den deutschen Export entwickelt und damit zu einer gigantischen Fehlallokation knapper volkswirtschaftlicher Resourcen von der deshalb notleidenden Binnenwirtschaft weg in den Außenhandel. Deutschland hat nun den Schaden aus einer falschen Industriestuktur, die in Zukunft viel weniger Absatz über auf Kredit vermittelte Exporte finden wird.
Gleichzeitig wurde mit der einseitigen Exportorientierung bei Drosselung der Massenkaufkraft die Binnennachfrage jahrelang auf Eis gehalten (Abb. 1299
. Sie steht jetzt auch nicht als Auffangbecken für den wegbrechenden Export zur Verfügung. Zugleich behielt Deutschland ohne eine florierende Binnenkonjunktur die höchste Langzeitarbeitslosigkeit innerhalb der Alt-EU (Abb. 04022).
4. Und nun auch noch Beistandspflichten
Außerdem hat Deutschland auch noch die - wenn auch nicht rechtlichen - Beistandspflichten gegenüber den besonders schwachen Eurozonenpartnern am Hals. In der globalen Krise werden deren Staatsanleihen nur noch bei extrem hohen Zinsen am Markt akzeptiert und demnächst vielleicht gar nicht mehr, was die schon jetzt hohen Zinsen auf deren Staatsanleihen zeigen (Abb. 03872).
Diese Situation drückt seit Wochen den Kurs des Euro gegenüber dem Dollar nach unten, obwohl in USA die Notenpresse heißläuft und daher eigentlich das Gegenteil eintreten sollte (Abb. 03781).
5. Trotzdem Ausstieg derzeit unmöglich
Immer wieder melden sich Experten, die Zweifel an der Überlebensfähigkeit der Kunstwährung äußern. Und doch kann Deutschland gerade jetzt in der Krise nicht aus dem Euro. Ein solcher Schritt in der gegenwärtigen Situation würde mit großer Sicherheit den Kurs der wiedereingeführten DM in gespenstische Höhen treiben, nicht so sehr vielleicht gegenüber dem Dollar, sondern vor allem den Haupthandelspartnern in der EU, und das Schicksal des deutschen Exports endgültig besiegeln. China würde mit seiner noch billiger werdenden Billigstware zu Lasten des deutschen Arbeitsmarktes "lachender Dritter" sein. Die Bundesbank könnte nichts tun, um dem engegenzusteuern. Die Spekulanten würden zum Marsch auf die anderen Währungen der Ex-Euro-Länder blasen. Es wäre in der derzeitigen Situation eine absolute Illusion zu glauben, wie es der „Euro-Feind" Hankel in der Frankfurter Rundschau tut, eine solche Aufwertung wäre ein Segen für Deutschland, weil alle Importe und der Urlaub im Ausland billiger würden. Ein massenhafter zusätzliche Verlust von Arbeitsplätzen in Deutschland wäre dagegen die Quittung.
Außerdem müßte befürchtet werden, daß ein solcher deutscher Schritt in der gegenwärtigen Lage das deutsch-französische Verhältnis in eine Eiszeit befördern und die gesamte Europäische Union auseinanderreißen könnte. In Washington, Moskau und Peking würden dann die Sektkorken knallen. Europa verfiele wieder in die Kleinstaaterei früherer Jahrhunderte.
Auch die schwachen Partner in der Eurozone können derzeit nicht aussteigen, weil das die Zinslasten auf ihre Staatsverschuldung unerträglich nach oben treiben würde. Außerdem würde die massenhafte Abwertung der Währungen vieler dieser Länder zunächst einmal mit sofortiger Wirkung alle Importe immens verteuern und die Inflationsraten hochjagen. Bis sich dann in einigen Ländern Dank der geschwächten Währungen Exportmöglichkeiten auftun, würde sehr viel mehr Zeit vergehen, zumal in vielen die Industriestrukturen dafür fehlen. Selbst bisher relativ gut positionierte Europartner, wie Finnland, Schweden oder Österreich würden durch die enorme Abhängigkeit ihrer Banken und ihres Exports von den kriselnden Osteuropäern schwer ins Trudeln geraten.
Wir müssen also die bittere Suppe auslöffeln, die uns eine falsche und von der mächtigen deutschen Exportlobby unterstützte Politik eingebrockt hat.
Quelle mit interessanten Grafiken
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Die Ansicht von Herrn Dr. Jahnke unter Punkt 5 teile ich nicht.
Deutschland hat seit Jahrzehnten gegenüber den Euroländern ein Lohn- und Steuerdumping
betrieben und wird demnächst von den schwachen Euroländern zur Kasse gebeten werden.
Und wer bezahlt diese Rettungsschirme? Richtig. Der eh gebeutelte deutsche Steuerzahler.
3/4 der Beschäftigen iin Deutschland arbeiten für den Binnenmarkt und nur 1/4 für
den Export.
Richtig ist, das bei einer Wiedereinführung der DM diese einen Höhenflug erleben würde,
was Importe extrem verbilligen würde. Die deutsche Wirtschaft wäre dann gezwungen, sich
mehr auf den Binnenmarkt auszurichten und die Löhne zu erhöhen.