Hinter dem Begriff der
Public Private Partnership ( kurz: PPP ) verbirgt sich die Mobilisierung privaten Kapitals und Fachwissens zur Erfüllung staatlicher Aufgaben. Im weiteren Sinn steht der Begriff auch für andere Arten des kooperativen Zusammenwirkens von Hoheitsträgern mit privaten Wirtschaftssubjekten. PPP geht in vielen Fällen mit einer Teil-Privatisierung von öffentlichen Aufgaben einher.
Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Anwendungsfelder fehlt eine allgemein anerkannte Definition noch.
( Quelle:
Wikipedia )
Wie weit die Übertragung von staatlichen Aufgaben an Privatunternehmen mittlerweile gehen kann zeigt uns der Bezirk
East Riding, im nordenglischen Yorkshire. Denn dieser Bezirk mit seinen rund 320.000 Bügern wird nahezu vollständig von der Bertelsmann-Tochtergesellschaft
Avarto verwaltet.
Avarto übernimmt hier bereits seit 2006 die eigentlich hoheitlichen Aufgaben rund um Eintreibung der Gemeindesteuern, die Auszahlung der Sozialhilfe, die Betreuung der Bürgerbüros oder die Verwaltung der Finanzen dieses Gemeindebezirks.
In Großbritannien ist diese Vermischung von privaten und öffentlichen Aufgaben bereits ein allgegenwärtiger Bestandteil in den unterschiedlichsten Aufgabenbereichen geworden. Sei es nun der Bau und Betrieb von Gefängnissen oder Krankenhäusern oder das Management der Londoner U-Bahn. - PPP-Projekte machen hier bereits zwischen 15 und 25 Prozent der Investitionen in öffentlichen Dienstleistungen aus.
Ein oft angeführtes Argument für diese Entwicklung betrifft natürlich die finanzielle Wirtschaftlichkeit. So wird auch der
Avarto-Chef, Rolf Buch, in dem
Heise-Artikel
[i]Avarto setzt auf Privatisierung staatlicher Dienstleistungen mit folgender Aussage zitiert:
Zitat:
Zitat von Wolf Buch
Es gibt drei zentrale Argumente: Erstens, werden die Kommunen ihre Verwaltungen aufgrund sinkender Bevölkerungszahlen anpassen müssen. Die alte Struktur kann also nicht überleben. Durch den demographischen Wandel sind zweitens opulente Verwaltungsstrukturen langfristig nicht finanzierbar. Drittens kann es sich Deutschland auf Dauer nicht leisten, viele intelligente Köpfe mit administrativen Aufgaben zu betrauen.
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Ein Argument, welchem Korruptionsexperte Werner Rügemer äußerst skeptisch begegnet. Auf die Frage...
Zitat:
"Aber wenn ein privater Investor die neue Schule baut, dann reduziert das doch tatsächlich die Staatsverschuldung und den Zinsdienst des Steuerzahlers, oder nicht?"
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...antwortete Rügemer wie folgt:
Zitat:
Zitat von Werner Rügemer
(...) Die Zahlungsverpflichtungen des Steuerzahlers werden mindestens verdoppelt und die Schulden bleiben am Ende doch wieder am Staat hängen. Das läuft so: Die privaten Investoren der PPP-Projekte leihen sich einen Großteil der Investitionssumme bei Banken und müssen dafür Zinsen zahlen, aber wie jeder Vermieter zahlen sie diese Zinsen nicht selbst, sondern schlagen sie einfach auf die Miete oben drauf. Deshalb ist es ihnen auch egal, dass sie einen höheren Zins an die Bank zahlen müssen als die kreditwürdigere öffentliche Hand, wenn sie selbst den Kredit aufgenommen hätte. Ist nun der Staat weiterhin pleite, wozu auch die abnorm hohen Mieten der PPP-Projekte beitragen, so muss er die Mietzahlungen doch wieder über Kredite finanzieren und deren Zinslast noch dazu tragen.
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( Quelle:
PPP-Public Private Partnership oder Privat macht Public Pleite?; Heise )
Das der eigentliche Beweggrund für das - auch hierzulande - immer weiter voranschreitende Phänomen der Privatisierung von staatlichen Hoheitsaufgaben allein den Konzernprofiden und nicht etwa der Entlastung eines überschuldeten Bundeshaushalts Rechnung trägt, fasst Avarto-Chef, Wolf Buch, im Grunde selbst recht gut zusammen, indem er sagt:
Zitat:
Zitat von Wolf Buch
Ich will Ihnen eine Zahl nennen. In Deutschland arbeiten 1,5 Millionen Menschen in der kommunalen Verwaltung. Jeder dieser Menschen verursacht Lohn- und Nebenkosten von etwa 70.000 Euro pro Jahr. Das macht einen Markt von 105 Milliarden Euro. Nicht alle Dienstleistungen können ausgelagert werden, nach Expertenmeinung sind es aber ca. 20 Prozent. Das ist ein Markt von mehr als 20 Milliarden Euro, also so viel wie der derzeitige Umsatz von Bertelsmann.
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Und tatsächlich rühmt sich
Avarto mittlerweile auf der eigenen Homepage mit der Tatsache, seit dem 27. April 2007, eine...
Zitat:
Zitat von Avarto
...Erste Partnerschaft mit der Stadt Würzburg...
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eigegangen zu sein, welche...
Zitat:
Zitat von Avarto
...die integrierte Abwicklung aller Verwaltungsleistungen und die Kopplung bislang isolierter Verfahren an eine zentrale eGovernment-Plattform...
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umfasst.
( Quelle:
Avarto )
Wie weit die Teilprivatisierung von öffentlichen Bereichen und Dienstleistungen in Deutschland bereits vorangeschritten ist, lässt sich auf der Internetseite
http://www.ppp-projektdatenbank.de/index.php?id=9 ersehen.
Hier kann sich der Nutzer, nach Kategorien geordnet, anzeigen lassen, ob es in seiner Region
PPPs gibt. Hierfür kann er verschiedene Eingrenzungen der Suchanfrage vornehmen, wie beispielsweise die Auswahl des
Bundeslandes, des
Kreises oder den
(Teil-)Sektor -> sprich; ob es sich beispielsweise um eine
Bildungs-, Verwaltungs-, Justiz- oder
Verteidigungseinrichtung handelt.
Bei dieser Seite sei aber darauf hingewiesen, dass die dort zu findenden Angaben
"auf freiwilligen Angaben von Projekträgern und Auftragnehmern."
beruhen, dass die "Dunkelziffer" der PPPs demnach wohl noch weitaus größer ausfallen dürfte, liegt meines Erachtens auf der Hand.
Warum ich all das hier schreibe?
Im Grunde bringt es der oben bereits verlinkte Artikel von
Heise in seinem Schlusswort recht gut auf den Punkt, weshalb ich ihn hier zitieren möchte:
Zitat:
Wollen wir unsere Steuerbescheide, Strafzettel, Personalausweise wirklich durch Arvatos Billig-Jobber verwalten lassen? Wohl kaum. An der Bürokratiekritik mag einmal ein wahrer Kern gewesen sein. Der heutige Privatisierungs-Wahn ist jedoch längst ins Gegenteil umgeschlagen. Bei hoheitlichen Aufgaben bekommt die Privatisierung noch einen weiteren Aspekt: Kontrolle und Überwachung. Arvato ist schon heute der größte private Verwalter von Kundendaten. Mit der Übernahme hoheitlicher Aufgaben droht der Konzern zu einem privaten Verwaltungs-Moloch zu werden, zu einer "Sozialkontrolle GmbH". Als Teil des Bertelsmann-Medienimperiums verwirklicht sich dann eine düstere Warnung vergangener Dekaden: das Zusammenwachsen der medialen Macht mit ehemals staatlichen Strukturen der Überwachung zu einem neuen Mechanismus der sozialen Kontrolle. Arvatos gutes Geschäft mit der neuen Musik der Macht könnte uns teuer zu stehen kommen.
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So. Und nun die Frage an euch:
Was haltet ihr von der ganzen PPP-Sache? Hat sie Zukunft? Wem Nutzt sie? Wer ist Gewinner, wer Verlierer? Kennt ihr PPP-Projekte aus eurer Umgebung?
Gruß: Norton.