Kriegsangst in Russland und Georgien
Aus Protest gegen die Verhaftung mehrerer Offiziere, unterbricht Russland seinen Truppenabzug aus Georgien.
Russland hat am Samstag die Unterbrechung seines Truppenabzugs aus Georgien angekündigt und damit Ängsten vor einem Krieg zwischen den Nachbarländern Nahrung verliehen. Die Sicherheit der Soldaten könne derzeit nicht gewährleistet werden, wenn diese georgisches Territorium durchqueren müssten, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau zur Begründung mit. Bis sich die
Lage in dem Kaukasusstaat normalisiert habe, würden die russischen Soldaten von ihren Militärbasen aus für Sicherheit sorgen.
Abzug russischer Diplomaten
Georgien reagierte in einer ersten Stellungnahme mit harschen Worten. "Wenn sie bilaterale Vereinbarungen verletzen, werden sie aus Georgien in viel kürzerer Zeit als bis 2008 hinausgeworfen", sagte ein führender Verteidigungspolitiker der Nachrichtenagentur Reuters. Er bezog sich damit auf ein Abkommen, nach dem die russischen Truppen bis Ende 2008 aus dem Land abgezogen sein sollen. Die etwa 2000 russischen Soldaten sind in zwei Basen in Batumi an der Schwarzmeerküste und in Achalkalaki an der südlichen Grenze zu
Armenien stationiert. Beide Staaten gehörten früher zur Sowjetunion.
Russland setzte zugleich den Abzug von Diplomaten fort. Drei Busse mit Botschaftsmitarbeitern, eskortiert von georgischer Polizei, fuhren zum Flughafen der Hauptstadt Tiflis. Von dort sollten sie am Nachmittag ausfliegen. Am Freitag hatten 83 russische Staatsbürger das Land verlassen, weil die Regierung in Moskau Sicherheitsbedenken geäußert hatte.
Spionagevorwurf
Die georgische Polizei hielt weiterhin das aus Stahl und Beton errichtete Gebäude des russischen Militärs in der Hauptstadt umstellt. Dort soll sich ein Offizier aufhalten, der von Georgien wegen des Vorwurfs der Spionage gesucht wird. Gegen vier weitere in Georgien stationierte russische Offiziere wurde am Freitag bereits formell Anklage erhoben. Die Vorwürfe lauten auf Spionage für den russischen Militärgeheimdienst, worauf nach georgischem Recht bis zu
zehn Jahre Gefängnis stehen.
Der Streit darum hatte die jüngsten Spannungen in dem ohnehin belasteten Verhältnis zwischen den Ländern verursacht. Die Regierung in Moskau kündigte an, für eine Freilassung seiner vier Offiziere "alle Mittel" einzusetzen, was in Georgien Sorgen vor einem Krieg geschürt hatte.
Russland kämpft um Einfluss
Die Beziehungen zwischen den Regierungen in Moskau und Tiflis haben sich seit dem Amtsantritt des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili 2003 drastisch verschlechtert. Seit der friedlichen "Rosen-Revolution" strebt Georgien nach engeren Bindungen zum Westen und nach einem Beitritt zur NATO. Nach den Staaten des ehemaligen Ostblocks und der Ukraine droht Russland damit auch auf dem Kaukasus an Einfluss zu verlieren.
Eine weitere Ursache für den Streit zwischen Moskau und Tiflis ist das Schicksal der von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien. Es sind praktisch russische Protektorate. Die russischen Einheiten, die als Friedenstruppe die innergeorgischen Grenzen kontrollieren, wurden am Samstag in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Die Agentur Interfax meldete unter Berufung auf
Polizeiquellen, dass seit einigen Wochen russische Panzerspähwagen, Waffen und Soldaten über die Grenze nach Südossetien verlegt würden.
Der Präsident der international nicht anerkannten Republik Südossetien, Eduard Kokoity, dementierte dies und bezeichnete die Meldung als "eine weitere Provokation" durch Georgien.
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