Organe nach Europa verkauft
Seit Jahren gibt es Gerüchte über illegalen Organhandel in den letzten Jahren des Kosovo-Krieges, jetzt dürften neue Beweise vorliegen. Der Sonderermittler des Europarats, Dick Marty, prüft derzeit neue Erkenntnisse rund um die grausamen Vorgänge im "Gelben Haus", einem entlegenen Bauernhof in Albanien. Laut serbischen Ermittlungen wurden Organe serbischer Gefangener in den Westen verkauft. Ein lukratives Geschäft, in das selbst höchste albanische Politiker verstrickt gewesen sein sollen
Hohe Politiker involviert
Nieren sollen mit Privatflugzeugen zu reichen Kunden gebracht worden sein.
Als vor zehn Jahren der Kosovo-Krieg auf dem Balkan zu Ende gegangen ist, sollen Kosovo-Albaner an Hunderten Serben unfassbare Gräueltaten begangen haben. Unter anderem seien jungen Serben Organe entnommen worden, die dann den Weg zu reichen Europäern im Westen gefunden hätten.
Die Gerüchte gibt es schon länger, Ermittlungen dazu verliefen aber bisher im Sand. Nun haben serbische Behörden neue Beweise vorgelegt.
Del Ponte berichtete über Organhandel
Dass die Untersuchungen wieder aufgenommen wurden, ist auf ein Buch der früheren Chefanklägerin des Haager UNO-Kriegsverbrechertribunals, Carla del Ponte, zurückzuführen. In ihren Memoiren "La Caccia" ("Die Jagd. Ich und die Kriegsverbrecher") berichtete sie 2008 von Organraub in Albanien.
Reiche Abnehmer in Europa
Nach den hohen Wellen, die Del Pontes Buch schlug, wurde der Schweizer Dick Marty als Sonderermittler des Europarats im Juni vergangenen Jahres mit Ermittlungen betraut. Ihm wurden laut der Nachrichtenagentur AP nun Hinweise vorgelegt, wonach die entnommenen Organe reiche Abnehmer in der Schweiz, Deutschland und der Türkei gefunden hätten.
Millionen Euro über Mittelsmänner
Verkauft wurden die Nieren angeblich für mehrere Millionen Euro über Mittelsmänner. Mit Privatflugzeugen seien sie aus der abgelegenen Region in Nordalbanien zu den Käufern gebracht worden, berichtete AP. Wer die Empfänger waren, wollte der serbische Sonderstaatsanwalt Vladimir Vukcevic, der zu den Kriegsverbrechen ermittelt, nicht bekanntgeben.
Die Belgrader Tageszeitung "Politika" berichtete im April unter Berufung auf Ermittlungsunterlagen der UNO-Mission im Kosovo (UNMIK), dass die Namen von sechs Personen, die des Organhandels verdächtigt würden, sowie von zehn Opfern bekannt seien.
Fotos sollen Organhandel belegen
Bereits im Februar präsentierte Vukcevic Fotos und Zeichnungen, die im direkten Zusammenhang mit dem Organhandel in Albanien stehen sollen. Auf den Bildern sind Angehörige der albanischen Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) zu sehen, auf der Rückseite sind Landkarten aufgezeichnet.
Bruno Vekaric, ein Sprecher der serbischen Sonderstaatsanwaltschaft, sagte gegenüber Medien: "Von unseren Quellen haben wir sehr drastische Bilder erhalten, die das bestätigten, was wir bereits wissen: Dass es während des Kosovo-Krieges Gefangenenlager der UCK in Nordalbanien sowie medizinische Anstalten gegeben hat, in denen möglicherweise auch chirurgische Eingriffe vorgenommen wurden."
Hochrangiger Politiker involviert?
Eine wichtige Rolle bei der Verlegung der im Kosovo gekidnappten Personen nach Albanien soll ein Bruder des früheren kosovarischen Ministerpräsidenten Ramush Haradinaj gespielt haben.
Haradinaj war im Frühjahr vor dem Haager UNO-Kriegsverbrechertribunal vom Vorwurf, im Sommer 1998 Kriegsverbrechen im Westkosovo begangen zu haben, freigesprochen worden.
Wurden Beweise vertuscht?
Die gesammelten Beweise seien Chefermittler Marty übergeben worden, erklärte Vekaric. Damit solle verhindert werden, dass die Unterlagen spurlos verschwinden. Laut Sonderstaatsanwalt Vukcevic wäre das nicht das erste Mal.
Vukcevic erklärte gegenüber dem serbischen Sender B-92, der einstige UCK-Kommandant Haradinaj habe bei einem Besuch in der albanischen Hauptstadt Tirana im September 2008 Albaniens Premier Sali Berisha aufgefordert, alle Beweise in diesem Fall zu vernichten.
Von einem Sprecher Berishas wurden die Behauptungen Vukcevics umgehend als "Lüge und Produkt einer kranken Fantasie" zurückgewiesen.
Schrecken im "Gelben Haus"
Durchgeführt worden sein sollen die Organentnahmen auf einem abgelegenen Hof in der Nähe des albanischen Ortes Burrel. Del Ponte beschrieb den Ort in ihrem Buch als "Gelbes Haus".
Ohne ausreichende medizinische Versorgung seien die Personen nach dem Entfernen einer Niere wieder in einen Nebenraum gebracht worden, bevor sie erneut dem "Operateur" vorgeführt oder ermordet wurden, schrieb Del Ponte unter Verweis auf Berichte aus der Region.
Spritzen und Blutspuren gefunden
Bereits 2004 untersuchten UNO-Ermittler das Bauernhaus. Forensiker fanden Blutspuren in der Küche und in Nebenräumen. Auf dem Grundstück wurden Spritzen, muskelentspannende Medikamente und Mullbinden entdeckt. Trotzdem wurden die Ermittlungen wieder eingestellt.
Serbien erhöht nun mit Unterstützung der Generaldirektion Menschenrechte (DGII) des Europarats den Druck auf Albanien, neuerliche Untersuchungen in dem Haus zuzulassen. Zudem sollen drei Massengräber in unmittelbarer Nähe genauer untersucht werden.
"Albanien hat nichts zu verbergen"
Auf albanischer Seite gibt man sich wortkarg. Die zuständige Staatsanwältin Ina Rama verweigerte bisher alle Interviews. Fatos Klosi, ehemaliger Chef der albanischen Geheimpolizei, erklärte, alles sei nur Spekulation: "Albanien hat nichts zu verbergen."
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http://orf.at/090508-38105/index.html