Folgender Brief ging an mehrere Politiker, Behörden, Organisationen
und Journalisten. Wer will, kann ihn ganz oder teilweise nutzen:
Online Durchsuchung: Verfassungsfeindliche Aktivitäten oder auf dem
Weg zum "digitalen Guantanamo" für Deutschland? -OFFENER BRIEF-
**** Offener Brief ****
Sehr geehrte Damen und Herren,
unter Maßgabe unglaubwürdiger und bisher nicht belegter
Argumentationen wollen verschiedene Personen, Politiker und Behörden
heimlich Computer von Privatpersonen hacken, um auf diesem Weg an
"Beweismittel" zu kommen. Begründet wird diese Begehrlichkeit vor
allem mit der "Terrorabwehr".
Es muss aber einleuchten, dass dieses Vorhaben kaum kalkulierbare
Risiken und Nebenwirkungen birgt, von denen ich nur exemplarisch ein
paar aufführen möchte:
* Kollateralschäden: Staatlich gehackte und sabotierte Rechner
können auch von Dritten genutzt werden. Es ist nicht möglich,
ein
"gebohrtes Sicherheitsloch" gegen Missbrauch sicher zu schützen.
* Missbrauch: Beweismittel können gefälscht und unter geschoben
werden, wenn es den Ermittlern dienlich erscheinen sollte.
* Fehlende Beweismöglichkeiten: Ein Betroffener hat keine
Möglichkeit mehr, Gegenbeweise zu führen - selbst dann nicht,
wenn
Beweismittel gefälscht worden sind oder Dritte den
"Bundestrojaner" missbraucht haben.
* Inkompatibilitäten: Kein Bundestrojaner kann in allen Umgebungen
einen reibungsfreien Betrieb gewährleisten. Es ist nicht nur
möglich, sondern wahrscheinlich, dass er Inkompatibilitäten
auslöst und zu Abstürzen oder anderen Problemen bis hin zum
Datenverlust beim Opfer führt. Das Opfer kann sich dagegen weder
wehren noch einen Beweis führen.
* Fremde Geheimdienste: Fremde Geheimdienste können die "gebohrten
Sicherheitslöcher" ausnutzen.
* Terroristen: Terroristen könnten die "Gebohrten
Sicherheitslöcher" ausnutzen.
* Irreführung der Behörden: Mit dem Wissen um das Vorhaben der
Regierung können gezielt falsche Spuren gelegt werden - z.B.
über
bereits anderweitig infizierte Rechner, die von "Terroristen"
gezielt präpariert und mit völlig falschen Informationen
bestückt
werden könnten.
* Wirkungslosigkeit: Wer die Gefahren kennt, kann sich recht
leicht schützen: Internetcafés, Live-CDs, Crypto-Filesysteme,
IDS-Software, Inselsysteme etc.
* Identitätsdiebstahl: Zugangsdaten Dritter können für den Zugriff
auf das Internet genutzt werden. Ebenfalls gestohlene Computer.
In
diesem zusammenhang wird eine gezielte Infektion nahezu
unmöglich.
* Fremde Computer und Netze: Putzpersonal könnte Firmencomputer
oder Firmennetzwerke für die Kommunikation nutzen.
* Neuartige Software: Speziell entwickelte Software kann die
Kommunikation wirksam verschleiern.
* Völliger Verlust der Privatsphäre: Bei der Durchsuchung kann auf
Grund der Natur der Sache keine Unterscheidung mehr zwischen
intimen Inhalten und tatsächlich ermittlungsrelevanten Inhalten
stattfinden. Die Privatsphäre der Betroffenen wird vollständig
außer Kraft gesetzt.
* Schädigung der Volkswirtschaft: Durch Missbrauch des Trojaners
kann Industriespionage erleichtert werden, durch verursachte
Inkompatibilitäten können geschäftskritische Systeme
destabilisiert oder gestört werden.
* Beschneidung der Meinungs- und Pressefreiheit, Verwässerung des
Informantenschutzes: Die einhergehende Einschüchterung und
Verunsicherung der Bürger und insb. von Journalisten und
Menschenrechtlern kann die Meinungs- und Pressefreiheit
untergraben und den Informantenschutz verwässern.
* Verletzung von Vertrauensverhältnissen: Vertrauensverhältnisse
z.B. zwischen Patient und Arzt oder Mandant und Anwalt werden
verletzt.
Das sind nur einige der Probleme und Gefährdungspotenziale. Die
Diskussion über einen Bundestrojaner gleicht der Diskussion über das
"Löschen von Feuer mit Benzin" - ein gezielter Einsatz ohne
Nebenwirkungen ist ebenso wenig möglich wie die Sicherstellung
fehlender Missbrauchsmöglichkeiten. Durch die Vielzahl der
Handlungsoptionen der "Täter" ist der Erfolg im Bereich der
Schwerstkriminalität oder des Terrors weniger wahrscheinlich als bei
den "konventionellen" Methoden.
Im Gegensatz zu einer "klassischen" Hausdurchsuchung wird dem
Betroffenen jedes Recht abgesprochen. Bei einer Hausdurchsuchung
müssen sich die Beamten ausweisen, einen Durchsuchungsbefehl
vorlegen und beschlagnahmte Gegenstände erfassen. Der Betroffene hat
Gelegenheit einen Anwalt ebenso wie Zeugen hinzuzuziehen und kann
verursachte Schäden sofort anzeigen und dokumentieren. Gegen das
Unter jubeln von Beweismitteln kann man sich wirksam schützen. Ist die
Durchsuchung unrechtmäßig durchgeführt worden, kann man dagegen
vorgehen. Ferner besteht nach der Durchsuchung keine weitere Gefahr
mehr, da keine "Sicherheitslöcher" verbleiben.
Eine Online-Durchsuchung nimmt dem Betroffenen jede Möglichkeit und
jedes Recht auf juristischen Beistand und Einschaltung von Zeugen.
Eine Beweisführung ist obendrein nicht möglich und Beschädigungen
fallen mitunter erst nach längerer Zeit auf - und auch hiergegen kann
das Opfer kaum vorgehen, da ein Beweis kaum geführt werden kann.
Sinnlos ist der Trojaner außerdem. Er kann nur dann ziel führend
eingesetzt werden, wenn ein KONKRETER, GEGENWÄRTIGER Verdacht einer
relevanten Handlung gegen eine oder mehrere Personen vorliegt. Liegt
aber ein solcher Verdacht vor, kann auch mit klassischen
Ermittlungsmethoden und den vorhandenen Möglichkeiten
zufriedenstellend gearbeitet werden. Liegt kein Verdacht vor, ist der
Einsatz des Trojaners bei einer Abwägung der Risiken nicht
einsetzbar. Die Alternative wäre die Infektion aller Computer und die
echtzeitgesteuerte Auswertung jeglicher bearbeiteter Daten unter
Berücksichtigung des jeweiligen Kontextes, was bei mehreren Millionen
Computern im Bundesgebiet nahezu aussichtslos wäre.
Terroranschläge oder deren Planung lassen sich mit dieser Methodik
zudem kaum besser verhindern. Angenommen, irgendwelche Gruppierungen
nutzen moderne Technologien für die Abstimmung und Planung: Würden
die bei Bekanntwerden der geplanten Maßnahmen nicht entsprechende
Vorkehrungen zum Schutz treffen, die noch zudem recht leicht
ergriffen werden können, wenn man ein Mindestmaß an IT-Wissen
besitzt? Wer sagt außerdem, dass die Planung nicht mit klassischen
Methoden wie z.B. "toten Briefkästen", verschlüsselten Briefen oder
schlicht und ergreifend persönlichen Treffen im Freien stattfindet?
Wer, dass nicht einfache Mittel wie Spam-Mails zur Kommunikation
genutzt werden, deren Absender vielleicht noch identifiziert werden
könnte - nicht jedoch der eigentliche Empfänger, da er sich in den
Millionen von Empfängerdaten versteckt.
Meiner persönlichen Meinung nach fehlt seitens Herrn Schäuble und der
anderen beteiligten Personen jede schlüssige Begründung dafür, welche
Vorteile die Nachteile soweit überragen, dass Grundrechte angegriffen
werden und Hundertausende von Computer sabotiert und gehackt werden
sollen. Ich kann mir außerdem nicht vorstellen, dass derart
verfassungsfeindliche Bestrebungen auch nur Ansatzweise eine
ausreichende Rechtfertigung durch greifbare Belege erfahren können.
Man wird vielleicht "Eierdiebe", ibääh-Betrüger und "Hobbypädophile"
fangen - Profis, die ihr Handwerk verstehen, wird man kaum greifen
können. Vor allem dann nicht, wenn sie nicht in Reichweite des
geplanten Unrecht-Gesetzes befinden. Das müssen auch die Befürworter
dieser "Wahnsinnstat" wissen. Ich persönlich vermute daher andere
Motive hinter den Bestrebungen.
Ich liebe unser Land und unsere Grundwerte und werde es nicht einfach
hinnehmen, dass einzelne Politiker und Personen das, was Menschen
unter dem Eindruck des letzten Weltkrieges und nach bestem Wissen und
Gewissen in unser Grundgesetz haben fließen lassen, demontieren und
einen freien demokratischen Staat auf das Niveau eines totalitären
Überwachungsstaates herabsetzen.
Meiner Meinung nach sind die Bestrebungen des Herrn Schäuble und der
anderen an dieser Initiative beteiligten Personen nicht mit dem
Grundsatz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in unserem
Land zu vereinbaren, sondern im Gegensatz verfassungsfeindlich. Die
Verhältnismäßigkeit der Mittel bleibt mit diesem Bestreben auch nicht
mehr gewahrt, vielmehr wird der Grundstein für ein "digitales
Guantanamo" auf dem Boden der Bundesrepublik gelegt - ein Raum ohne
durchsetzbare Rechte für die Betroffenen.
Ich appelliere daher an alle Adressaten:
Nutzen Sie Ihre Möglichkeiten, um der Vernunft zur Geltung zu
verhelfen und setzen Sie sich dafür ein, dass das Grundgesetz
nicht
im Namen des Kampfes gegen Terroristen zur Makulatur verkommt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Mit freundlichen Grüßen,
...
Quelle:
http://www.elo-forum.org/offener-bri...ung-t9083.html