Wissenschaftler stehen vor Rätsel
Kein Fleck auf der Sonne
Kleine Eiszeit mit solarer Ruhephase in verbindung gebracht.
Dass die Sonne ein launischer Stern ist, darüber sind sich Astronomen einig. Es gibt zwar eine periodische Abfolge von Sonnenflecken: Etwa alle elf Jahre schwankt die Sonne zwischen einem Maximum und einem Minimum an Sonnflecken. Abweichungen sind aber die Regel. Derzeit gibt es so wenige Sonnenflecken wie seit 50 Jahren nicht.
Derzeit 24. Sonnenfleckenzyklus
Seit dem Jahr 1749 werden die Sonnenzyklen aufgezeichnet. Im Moment befinden wir uns im Sonnenfleckenzyklus Nummer 24, der im Jänner 2008 eingeleitet wurde. Gemessen wird der Beginn eines solchen Zyklus an einem Sonnenfleck mit verkehrter Polarität, also der Umkehr des "Nord- und Südpols" eines solchen Flecks.
Sonnenflecken kommen und gehen im Durchschnitt in einem elfjährigen Zyklus. Im Maximum des Zyklus, dem solaren Maximum, ist die Sonne dauernd gesprenkelt mit Flecken, einige so groß wie der Planet Jupiter. In Zeiten eines solaren Minimums kann es passieren, dass kein einziger Fleck auf der Sonnenoberfläche auftaucht, wie es momentan der Fall ist.
Hobbyastronomen gelangweilt
Der Blick auf die Sonne hat derzeit wenig Spektakuläres zu bieten. Kann man bei hoher Aktivität die Ausbrüche (Protuberanzen) gut mit freiem Auge - allerdings nur gut geschützt mit einer Finsternisbrille - beobachten, wird man derzeit auf unserem nächsten Stern nicht fündig. In diesem Zyklus wurden nämlich bereits 266 Tage ohne einen einzigen Fleck auf der Sonne registriert.
Vorhersagemodelle scheitern
Wie stark der derzeitige Sonnenzyklus ausfallen wird, scheint von Woche zu Woche fraglicher. Vorhersagemodelle, die vor allem auf statistisch-physikalischen Berechnungen beruhen, schaffen es nicht, die außergewöhnlich lange sonnenfleckenarme Periode präzise zu erfassen.
David Hathaway, Solarphysiker der NASA in Huntsville in Alabama, erwartet für das Jahr 2013 das Maximum des derzeitigen Zyklus. Zwischen März und April soll es nach derzeitigen Berechnungen eine durchschnittliche Sonnenfleckenrate von 81,9 geben.
Das sind um 4,7 Prozent weniger als in der Vorhersage vom Juli 2009. Das wäre somit das schwächste solare Maximum seit 1928 mit 78 Sonnenflecken. In einem "Normalmaximum" gibt es durchschnittlich 120 Flecken.
Mögliche Auswirkungen auf das Klima
Inwiefern die solaren Zyklen das Klima beeinflussen, können die Wissenschaftler nicht genau sagen. Wenige Sonnenflecken bedeuten mehr Strahlung, die auf die Erde gelangt, was aber zugleich nicht unbedingt eine Erhöhung der Temperatur nach sich zieht.
Henrik Svensmark und andere Wissenschaftler des dänischen Raumfahrtzentrums in Kopenhagen meinen, dass eine erhöhte kosmische Strahlung durch Ionisations- und Kondensationsprozesse vermehrte Wolkenbildung zur Folge hat. Durch die Abschattung könnte sich somit die Erde nachhaltig abkühlen.
Neues "Maunder-Minimum"?
Laut NASA ist aber ein Eintreten eines zweiten "Maunder-Minimums", das unter anderem für die Kleine Eiszeit verantwortlich gemacht wird, unwahrscheinlich. Es wird im Laufe der nächsten Monate ein Anstieg der Sonnenflecken erwartet.
Der Astronom Edward William Maunder war englischer Bibelforscher und durchforstete Sonnenbeobachtungsberichte im Royal Greenwich Observatory: Er fand über einen Zeitraum von 70 Jahren praktisch keine Sonnenflecken. Als Maunder diese "solare Ruhephase" entdeckte, schenkte man dem kaum Beachtung, erst mit den modernen Messmethoden des 20. Jahrhunderts wurde Maunders Entdeckung bestätigt.
"Schlafende Sonne"
Maunder lebte von 1851 bis 1928 und damit mitten in der letzten Kleinen Eiszeit vom 15. bis ins 19. Jahrhundert. Immer wieder wird diese Zeit der "schlafenden Sonne" mit einem Sinken der globalen Mitteltemperatur in Zusammenhang gebracht.
Katastrophale Folgen
Die Kleine Eiszeit hatte katastrophale Folgen für die Menschheit. Die Vegetationszeiten wurden kürzer, Missernten waren die Regel. Am meisten litten die einfachen Leute von der Nahrungsmittelknappheit, und sie war auch indirekt Anlass für den Beginn der Französischen Revolution im Jahr 1789.
Die Phase mit extrem kalten Wintern war auch Inspiration für die bildenden Künste. Die Winterlandschaften des Pieter Brueghel gelten als erste künstlerische Annäherung an die Naturgewalten und können als bildliche Kommentare der Klimageschichte gesehen werden.
Auch Zyklus bereits beschrieben
Die lange Missachtung von Maunders sensationeller wissenschaftlicher Entdeckung mag auch an seinem beruflichen Werdegang gelegen haben, schließlich wurde er ohne akademischen Abschluss als Astronom im königlichen Observatorium angestellt.
Maunder fand auch heraus, dass die Zeiten hoher und niedriger Fleckenzahl eine gewisse Periodizität hatten. Alle elf Jahre schwankt die Anzahl der Flecken von fünf (manchmal wie eben 2009 auch null) auf bis zu 40 bis 80 Sonnenflecken im Jahr.
Die Dauer eines Zyklus unterliegt einem geringen Schwankungsbereich, stellte man später fest: Zwischen 1860 und 1900 wurde ein Sonnenfleckenzyklus von 11,7 Jahren beobachtet. Von 1910 bis 1950 hat er sich auf 10,2 Jahre reduziert mit einem Minimum von 9,7 in den 30er Jahren.
Astronomen jubeln
Die Astronomen freut die geringe Anzahl an Sonnenflecken jedenfalls. Am größten Weltraumteleskop Herschel lässt es sich derzeit durch die geringe Sonnenaktivität sehr gut beobachten, meint Markus Kerschbaum, Astrophysiker am Institut für Astronomie der Universität Wien. Das Magnetfeld der Erde sowie die Satellitentechnik und Kurzwellen der Radios der Erde werden kaum gestört.
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