Zitat:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
( Grundgesetz; Artikel 5 )
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Wie gut ist es aber wirklich um diese grundliegende Errungenschaft einer modernen Demokratie bestellt?
Ist tatsächlich
„jeder“ dazu befähigt,
„seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“? Und ist wirklich
„jeder“ dazu befähigt,
„sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“?
Oder sind in unserer Gesellschaft etwa Mechanismen im Gange, welche dieses essenzielle Recht der freien Meinungsäußerung auf eine subtile Art und Weise unterlaufen?
Einen Anhaltspunkt, zur Beantwortung dieser Frage, bietet uns ein Zitat des deutschen Geisteswissenschaftlers, Publizisten und Journalisten
Paul Sethe.
Paul Sethe gehört zum Urgestein des deutschen Journalismus. Er war Mitbegründer und Herausgeber der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ ( 1949-1955 ) und befasste sich vorrangig mit deutscher Geschichte und Außenpolitik. Vor allem machte er sich aber einen Namen als ein vehementer Kritiker der Außenpolitik Konrad Adenauers, indem er für eine Annäherung an den Osten warb oder sogar dazu anregte die vieldiskutierten
„Noten Stalins“ aus einem, von antikommunistischen Ressentiments befreiten und nicht auf militärische Vorteile gemünzten, Blickwinkel zu betrachten, um so die darin enthaltenen Möglichkeiten zur deutschen Wiedervereinigung besser nutzbar machen zu können.
Laut dem Buch „Weggefährten“, von Altbundeskanzler Helmut Schmidt, soll Adenauer darauf hin damit gedroht haben, die Industrie dazu anzuhalten der FAZ die Inserate zu entziehen; was schließlich zu einem Bruch in der Chefetage führte und letzten Endes den Weggang Sethes zur Folge hatte.
Paul Sethe wechselte noch im selben Jahr ( 1955 ) zu der Zeitung „Die Welt“, wurde dort zum Ressortchef und verfasste zahlreiche Leitartikel. Doch soll Konrad Adenauer auch den Axel-Springer-Verlag in gleicher Weise unter Druck gesetzt haben, so dass auch dort bald kein Platz mehr für die Arbeiten Sethes war. [1]
Im Kontext dieser Erfahrungen sind wohl auch die mittlerweile berühmt gewordenen Sätze Sethes zu sehen, welche er, in den 60er Jahren, in einem Leserbrief an den „Spiegel“ zum Ausdruck brachte: [2]
Zitat:
Zitat von Paul Sethe
„Im Grundgesetz stehen wunderschöne Bestimmungen über die Freiheit der Presse. Wie so häufig, ist die Verfassungswirklichkeit ganz anders als die geschriebene Verfassung. Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Journalisten, die diese Meinung teilen, finden sie immer. Ich kenne in der Bundesrepublik keinen Kollegen, der sich oder seine Meinung verkauft hätte. Aber wer nun anders denkt, hat der nicht auch das Recht, seine Meinung auszudrücken? Die Verfassung gibt ihm das Recht, die ökonomische Wirklichkeit zerstört es. Frei ist, wer reich ist. (...) Und da Journalisten nicht reich sind, sind sie auch nicht frei.“
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Obgleich sich diese Ereignisse mittlerweile vor beinahe einem halben Jahrhundert zugetragen haben, so hat die Aussage Sethes bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. – Im Gegenteil. Sie scheint dieser Tage sogar aktueller zu sein, denn je.
Umreißt sie doch den wesentlichen Kern all jener Machenschaften, über welche die öffentliche Meinung und somit die Meinungs- und Realitätsbildung der Menschen manipuliert wird.
Sie führt uns vor Augen, wie das, in Artikel 5 des Grundgesetzes, festgeschriebene Recht auf eine freie Presse unterlaufen wird, indem alternativen Stimmen erst gar keine ökonomische Möglichkeit eingeräumt wird ihre Meinung tatsächlich zum Ausdruck zu bringen und diese zu verbreiten. Sie zeigt uns die Zensur, welche durch Macht- und Geldinteressen gewährleistet wird und die öffentliche Diskussion auf die Meinungen und Ziele einer zahlenmäßig kleinen, dafür aber immens finanzstarken Minderheit beschränkt. Ja. Sie lässt schon zu damaliger Zeit erahnen, dass die Presse nicht frei, sondern ein an nur wenige Kartelle gebundener Wirtschaftszweig ist, der eine zielgenaue Philosophie und Politik vertritt.
( Im folgenden werde ich ( in Kürze ) einige konkrete Beispiele dafür aufführen, wie derartige Praktiken auch heute noch zur Anwendung kommen und unsere Presse klammheimlich zensiert wird. Wer hierzu ebenfalls ein paar Beispiele beisteuern kann, der ist natürlich herzlich eingeladen, dies auch zu tun. )
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[1] „Weggefährten – Erinnerungen und Reflexionen“; von Helmut Schmidt; Seite 220ff (Goldmann Blanvalet btb Page & Tu, Verlagsgruppe Random House, München – ISBN 344275515
[2]
„Frei ist wer reich ist“; von Dr. Paul Sethe; Leserbrief an „Der Spiegel“; vom 5.5.1965