Pressemitteilung des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung vom
28.07.2008:
Freiheit statt Angst - Bürgerrechtler rufen zu Demonstration gegen
ausufernde Überwachung auf
Bürgerrechtsorganisationen rufen für Samstag, den
11. Oktober 2008
unter dem Motto "Freiheit statt Angst" zu einem Marsch durch Berlin
auf, um gegen die ausufernde Überwachung durch Staat und Wirtschaft
zu protestieren. Die Organisatoren sind sich einig, dass es höchste
Zeit ist, vor dem Hintergrund permanenter Verschärfungen von
Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen für die Verteidigung unserer
Grundrechte auf die Straße zu gehen. Die Demonstration wendet sich
unter anderem gegen die für Herbst geplante Aufrüstung des
Bundeskriminalamts zu einer zentralen, exekutiven Polizeibehörde mit
der Befugnis zum geheimen Ausspionieren von Privatcomputern.
Nach der im vergangenen Jahr mit über 15.000 Menschen größten
Demonstration für Demokratie und Bürgerrechte seit 20 Jahren[1]
werden in diesem Jahr erstmals in verschiedenen Ländern gleichzeitig
Menschen für ihre Freiheit auf die Straße gehen. Bereits 15 Länder
weltweit haben ihre Teilnahme an dem internationalen Aktionstag am
11. Oktober angekündigt.[2] Grund des einhelligen Protestes ist,
dass die Politik ihre Überwachungs- und Kontrollvorhaben zunehmend
in internationalen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen
durchdrückt. Der internationale Protest richtet sich etwa gegen die
geplante Totalerfassung aller Flugreisenden in der EU, die geplanten
Datenauslieferungen an die USA, biometrische EU-Ausweispapiere und
die Vorratsspeicherung der Telekommunikationsverbindungen und
Standorte sämtlicher 455 Millionen Europäer.
Der mit Kriminalitätsgefahren begründeten politischen Spirale
innerer Aufrüstung setzt die Zivilgesellschaft den Ruf nach
"Freiheit statt Angst" entgegen. Ein Moratorium für sämtliche
Überwachungsvorhaben, der Abbau von Massenüberwachung und die
Erweiterung digitaler Rechte sollen die Freiheitsrechte der Menschen
stärken. Die Aktivisten fordern zudem eine unabhängige Überprüfung
sämtlicher geplanter und bereits geltender Überwachungs- und
Kontrollbefugnisse auf ihre Wirksamkeit und schädlichen
Nebenwirkungen.
Im Vorfeld des Aktionstages ruft der Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung dazu auf, sich am 20. September 2008 in
München der Demonstration "Freiheit Weiß-Blau - Stoppt den
Überwachungswahn" gegen das verschärfte Bayerische
Versammlungsgesetz und weitere Überwachungsmaßnahmen anzuschließen.[3]
International wird zudem am 22. September 2008 in vielen Städten im
Rahmen des OneWebDay[4] für den Aktionstag "Freiheit statt Angst"
mobilisiert werden.
Aktuelle Informationen über den Aktionstag "Freiheit statt Angst" am
11. Oktober und die Möglichkeiten, sich zu beteiligen, finden sich
im Internet auf
http://www.FreiheitstattAngst.de. Es folgt der
Aufruf im Wortlaut:
Internationaler Aktionstag "Freiheit statt Angst - Stoppt den
Überwachungswahn!" am 11. Oktober 2008
Der Überwachungswahn greift um sich. Staat und Unternehmen
registrieren, überwachen und kontrollieren uns immer vollständiger.
Egal, was wir tun, mit wem wir sprechen oder telefonieren, wohin wir
uns bewegen oder fahren, mit wem wir befreundet sind, wofür wir uns
interessieren, in welchen Gruppen wir engagiert sind - der "große
Bruder" Staat und die "kleinen Brüder und Schwestern" aus der
Wirtschaft wissen es immer genauer. Der daraus resultierende Mangel
an Privatsphäre und die Vertraulichkeit gefährdet die Freiheit des
Glaubensbekenntnisses, die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, die
Koalitionsfreiheit, Unternehmensintegrität, die Arbeit von Ärzten,
Beratungsdiensten und Rechtsanwälten.
Die vielfältige Agenda der Reform des Sicherheitssektors umfasst die
Aufhebung der Trennung von Polizei, Geheimdiensten und Militär, und
gefährdet damit die Gewaltenteilung und -balance. Unter Einsatz von
Massen-Überwachungstechnologie führt die grenzenlose Zusammenarbeit
von Militär, Geheimdiensten und Polizeibehörden zum Aufbau von
"Festungen" in Europa und anderen Kontinenten, die sich gegen
Flüchtlinge und anders aussehende Menschen richten, aber zum
Beispiel auch politische Aktivisten, arme und unterprivilegierte
Menschen und Sportfans betreffen.
Menschen, die sich ständig beobachtet und überwacht fühlen, können
sich nicht unbefangen und mutig für ihre Rechte und eine gerechte
Gesellschaft einsetzen. Massenüberwachung setzt damit die Basis
einer demokratischen und offenen Gesellschaft aufs Spiel.
Massenüberwachung gefährdet auch die Arbeit und das Engagement von
Organisationen der Zivilgesellschaft.
Überwachung, Misstrauen und Angst verändern unsere Gesellschaft
schrittweise in eine Gesellschaft unkritischer Verbraucher, die
"nichts zu verbergen haben" und dem Staat gegenüber - zur
vermeintlichen Gewährleistung totaler Sicherheit - ihre
Freiheitsrechte aufgeben. Eine solche Gesellschaft wollen wir nicht!
Wir wissen, dass der Respekt vor unserer Privatsphäre einen
wichtigen Teil unserer menschlichen Würde darstellt. Eine freie und
offene Gesellschaft kann ohne bedingungslos private Räume und
Kommunikation nicht existieren.
Die zunehmende elektronische Erfassung und Überwachung der gesamten
Bevölkerung bietet keinen verbesserten Schutz vor Kriminalität. Sie
kostet Millionen von Euro und gefährdet die Privatsphäre
unschuldiger Bürger. Wo Angst und Aktionismus regieren, bleiben
gezielte und nachhaltige Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit
ebenso auf der Strecke wie ein Angehen der wirklichen, alltäglichen
Probleme der Menschen; zum Beispiel Arbeitslosigkeit und Armut.
Um gegen Sicherheitswahn und die ausufernde Überwachung zu
protestieren, gehen wir am Samstag, den 11. Oktober 2008 in Berlin
unter dem Motto "Freiheit statt Angst - Stoppt den Überwachungswahn!"
auf die Straße. Treffpunkt ist der Alexanderplatz um 14.00 Uhr. Der
Protestmarsch durch die Stadt wird mit einer großen
Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor enden.
Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger auf, an der Demo teilzunehmen.
Die Politiker sollen sehen, dass die Bürger für ihre Freiheiten
wieder auf die Straße gehen! Auf der Demo-Homepage
(
http://www.FreiheitStattAngst.de) finden sich jeweils die neuesten
Infos zur Demo, zu Anreisemöglichkeiten und zu Möglichkeiten,
mitzuhelfen.
Unsere Forderungen
1. Überwachung abbauen
* Keine pauschale Registrierung aller Flugreisenden (PNR-Daten)
* Kein Informationsaustausch mit den USA und anderen Staaten ohne
wirksamen Datenschutz
* Keine geheime Durchsuchung von Privatcomputern, weder online noch
offline
* Keine pauschale Überwachung und Filterung von
Internet-Kommunikation (geplantes EU-Telekom-Paket)
* Keine Finanzierung der Entwicklung neuer Überwachungstechniken
* Abschaffung der flächendeckenden Protokollierung der Kommunikation
und unserer Standorte (Vorratsdatenspeicherung)
* Abschaffung der flächendeckenden Erhebung biometrischer Daten, sowie
von RFID-Ausweisdokumenten
* Abschaffung der flächendeckenden Sammlung genetischer Daten
* Abschaffung von Video-Überwachung und automatischer
Verhaltenserkennungssysteme
2. Evaluierung der bestehenden Überwachungsbefugnisse
Wir fordern eine unabhängige Überprüfung aller bestehenden
Überwachungsbefugnisse im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und
schädliche Nebenwirkungen.
3. Moratorium für neue Überwachungsbefugnisse
Nach der inneren Aufrüstung der letzten Jahre fordern wir einen
sofortigen Stopp neuer Gesetzesvorhaben auf dem Gebiet der inneren
Sicherheit, wenn sie mit weiteren Grundrechtseingriffen verbunden
sind.
4. Gewährleistung der Meinungsfreiheit und des freien Meinungs- und
Informationsaustauschs über das Internet
* Verbot der Installation von Filtern in die Infrastruktur des Internet.
* Entfernung von Internet-Inhalten nur auf Anordnung unabhängiger
und unparteiischer Richter.
* Einführung eines uneingeschränkten Zitierrechts für Multimedia-
Inhalte, das heute unverzichtbar für die öffentliche Debatte in
Demokratien ist.
* Schutz von Plattformen zur freien Meinungsäußerung im Internet
(partizipatorische Websites, Foren, Kommentare in Blogs), die heute
durch unzureichende Gesetze bedroht sind, welche Selbstzensur
begünstigen (abschreckende Wirkung).
Über uns:
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist ein Zusammenschluss von
Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern, der die Arbeit
gegen die Vollprotokollierung der Telekommunikation koordiniert. Er
ist politisch unabhängig und überparteilich.
Fußnoten:
1.
http://www.vorratsdatenspeicherung.d...t/view/142/79/
2.
http://wiki.vorratsdatenspeicherung...._Not_Fear_2008
3.
http://wiki.vorratsdatenspeicherung....eit_Weiss_Blau
4.
http://onewebday.org/
Diese Pressemitteilung im Internet:
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