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Alt 11.01.2010, 18:22
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Zitat:
Zitat von Guantanamohr Beitrag anzeigen
geht der besser?
Jupp... Der funzt auch bei mir...
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"Ich kenne keinen sichereren Treuhänder der ultimaten Macht der Gesellschaft als das Volk an sich; und wenn wir sie nicht für erleuchtet genug halten, diese Kontrolle mit wohlwollender Umsicht durchzuführen, dann ist die Abhilfe nicht, sie ihnen wegzunehmen, sondern ihre Umsicht zu prägen."
( Thomas Jefferson )

"Dogmen; die religiösen, wie die wissenschftlichen; sind die großen Feinde wahrer Erkenntnis. Denn wer glaubt, braucht nicht zu wissen;und wer weiß, braucht nicht zu denken."
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Alt 11.01.2010, 20:28
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01.3 Paradigmenwechsel:
(Walter Lippmann: Expertenherrschaft contra Demokratie / Edward Bernays: Persuasive Übersetzungen und Konzepte moderner Propaganda )

Umgehend nachdem die Kampfhandlungen des ersten Weltkrieges im Jahre 1918 ihr Ende gefunden hatten, beschloss man das Committee on Public Information (CPI) wieder aufzulösen. Denn was unter den Ausnahmebedingungen des Weltkrieges noch weitestgehend gerechtfertigt werden konnte, erschien sich in Friedenszeiten jeglicher Legitimation zu entziehen. Dennoch hatte das CPI bereits neue Maßstäbe für eine allumfassende Propagandaarbeit geschaffen und die PR-Strategen jener Zeit trachteten nun danach einen derartigen Einfluss wieder zurückzugewinnen.
So ging es auch Edward Louis Bernays, welchem die Ehre zuteil wurde zusammen mit der US-Delegation um Präsident Woodrow Wilson ins französische Versailles zu reisen und dort den Friedensverhandlungen beizuwohnen. Bei diesem Besuch soll Bernays selbst sehr erstaunt darüber gewesen sein, dass Präsident Wilson von den Franzosen als die Person empfangen wurde, welche ihnen nun endlich Frieden und Freiheit bringen würde.
Diese Erkenntnis über die erfolgreichen Manipulationsarbeiten, welche er unter den günstigen Rahmenbedingungen des CPI [Vgl. 01.2] geleistet hatte, sollte Bernays Arbeit nachhaltig verändern. Denn sie führte ihn zu der Frage, ob es nicht allgemeingültige Konzepte geben mochte, mit denen man die öffentliche Wahrnehmung sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten zu steuern vermag. Er formulierte diesen gedanklichen Ansatz seinerzeit folgendermaßen:


Zitat:
„Der grandiose Erfolg der Propaganda im Krieg hat den Weitsichtigen die Augen geöffnet für die Möglichkeiten von Manipulation der Massenmeinung in allen Bereichen des Lebens … So provozierten sie Massenreaktionen gegen die angeblichen Gräueltaten, den Terror und die Tyrannei des Feindes. Es war also nur logisch, dass denkende Menschen sich fragten, ob es nicht möglich sei, eine ähnliche Technik auch für die Probleme in Friedenszeiten anzuwenden.“[1]

Den Schlüssel, welcher ihm diese Türen zur Wahrnehmung öffnen sollte, sah er vor allem in der Psychoanalyse und so trat er während seines Aufenthaltes in Paris mit seinem Wiener Onkel, Sigmund Freud, in Briefkorrespondenz, von welchem er sich hierbei die nötige Hilfe erhoffte. Sigmund Freud übermittelte ihm postwendend eine erste Einführung in die Erkenntnisse seiner Psychoanalyse, welche Edward Bernays zutiefst faszinierte und inspirierte. [2]

Zurück in New York, entwickelte Bernays, angeregt durch die Freudschen Erkenntnisse, die ersten Ansätze moderner Propagandaarbeit, welche sich fortan als ein quasiwissenschaftlicher Teilbereich der Sozialwissenschaften gebärden sollte.
Denn nach Bernays Ansätzen umwarb die Öffentlichkeitsarbeit nun nicht mehr länger ein Produkt oder eine gedankliche Philosophie indem sie deren Vorteile betonte oder konkurrierende Konzepte und Waren schlecht redete, sondern indem sie das angepriesene Gut mit Symbolen und Assoziationen bestückte, welche für den Empfänger/Konsumenten in positiver Weise erstrebsam erscheinen. Auf diese Weise zielte er bewusst auf die verborgen-irrationale Triebsteuerung des Individuums ab, um so eine nachhaltige Verhaltensänderung bei diesem hervorzurufen.
Der Kunde sollte nicht länger nur all jene Produkte kaufen, welche er tatsächlich benötigte, sondern fortan auch nach all jenen Dingen verlangen, welche in ihm ein gutes Gefühl auslösten; was im Grunde den Startschuss zur Transformation von einer Bedarfskultur hin zur Konsumgesellschaft markierte. Dabei war es natürlich vollkommen gleichgültig, ob das „gute Gefühl“ lediglich durch die suggestive Kraft einer inszenierten PR-Kampagne entstanden war und in Wahrheit in keiner rational begründbaren Verbindung zum eigentlichen Konsumgut und dessen Eigenschaften stand.
Auf diese Weise trug Bernays beispielsweise dazu bei, den Gesellschaftsmythos der Modebranche mitzugestalten, welche fortwährend betont, dass es bei der Kleidung nicht alleine um den praktischen Nutzen gehe, sondern, dass diese dazu diene, sein Ich besser auszudrücken. „Express yourself better in your dress,“ lautete demnach der Slogan, mit welchem er die Modells auf den Modenschauen vor die dort versammelte Pressegemeinschaft schickte und durch welchen die menschliche Individualität von einem Akt intellektueller/spiritueller Sinnfindung in den Rang eines käuflichen Konsumgutes umgemünzt werden sollte. [3]
Herbert Marcuse umschrieb diese Neuordnung des Begriffes der „Individualität“ 1964 durch den „Eindimensionalen Menschen in einer eindimensionalen Gesellschaft“ (One-dimensional man / One-dimensional society), welcher sich mit Produkten und Gegenständen identifiziere.

Die neuentwickelten Konzepte zeigten bald eine durchschlagende Wirkung und der Konsum erlebte einen Höhenflug nie gekannten Ausmaßes. Durch diese Erfolge beflügelt wandten sich immer mehr Kunden an die neuen „Makler der Realität“.
Bernays erwies sich auch bei der Zusammenarbeit mit seinen übrigen Kunden als überaus findig, wenn es darum ging, die Verhaltensweisen der Massen ohne deren bewusste Wahrnehmung zu manipulieren. Hierbei wiesen seine Vorgehensweisen gelegentlich so abstrakte Züge auf, dass sich deren Sinnhaftigkeit mitunter erst auf den zweiten Blick erschloss und er seine Auftraggeber manches mal zunächst von seinen Konzepten überzeugen musste.
Zu einem dieser Fälle zählt wohl auch sein Engagement für die amerikanischen Buchverlage, welche in den 30er Jahren unter rückläufigen Verkaufszahlen litten. Um die Konsumenten zum Kauf neuer Bücher zu verleiten wandte sich Bernays an verschiedene Möbelgroßfabrikanten und überzeugte diese davon, ihr Mobiliar mit mehr Raum für Bücherregale auszustatten. Der simple Hintergedanke hierbei war die Annahme, dass die Menschen, da wo Bücherregale sind, auch mehr Bücher kaufen würden, um diesen Raum sinnvoll zu füllen.
Aber auch die Etablierung von Hygienestandards in der Lebensmittelindustrie diente nicht alleine den Images der Nahrungsmittelproduzenten selbst, sondern lag in der Intention begründet, einen neuen Abnahmemarkt für die Hersteller von Haarnetzen zu erschließen, welche sich zuvor mit einem derartigen Anliegen an Bernays gewandt hatten. [4]

Selbstverständlich war Edward Bernays nicht der einzige Kommunikationsexperte, auf den das Phänomen des CPI einen so nachhaltigen Eindruck gemacht hatte. Auch Walter Lippmann, der 1910 in Harvard graduiert und 1914 zusammen mit Hebert Croly und Walter Weyl das Magazin The New Republic gegründet hatte, erkannte die revolutionären Auswirkungen, welche das Committee auf den Diskurs der Propagandaforschung genommen hatte. Doch waren die Einschätzungen Lippmanns; welche er bezüglich der Rolle eben jener Institution vornahm, bei deren Schaffung er selbst zuvor die Rolle eines aktiven Geburtshelfers eingenommen hatte; weitaus weniger enthusiastisch geprägt, als die von Sigmund Freuds Neffen.
Während Edward Bernays in ihr das Instrumentarium erkannte, welches eine flächendeckende Manipulation der Massen gewährleisten konnte und deren Legitimation er durch die vermeintlich überlegene Rationalität einer intellektuellen Elite begründet sah, waren die Äußerungen Lippmanns zu jener Zeit eher skeptischer Natur. Denn er sah bereits jetzt die Probleme voraus, welche aus einer von kommerziellen Interessengruppen dominierten Öffentlichkeitsarbeit hervorzugehen drohten, da diese den Massen ein manipuliertes Zerrbild der Realität vermitteln würde.
Diesem Problem widmete sich auch Lippmanns Arbeit „Liberty and the News“, aus dem Jahre 1920. Hierin vertrat er die Meinung, dass es der Intervention des Staates bedürfe, um „dafür zu sorgen, dass die Presse wahrheitsgetreu und neutral berichte. Strengere professionelle Standards der Medien müssten den Strom der Fakten reinhalten.“ [5]

Es ist wohl maßgeblich auf diese frühen Ansichten Walter Lippmanns zurückzuführen, dass man diesem oft unter der Chiffre eines „liberalen“ Journalisten begegnet, dessen Biograph, Ronald Steel, ihn in einem gleichnamigen Kapitel seines Buches „Walter Lippmann and the American Century“ sogar als einen „Freund der Massen“ (A friend of the masses) umschreibt. Doch diese Sichtweise gibt nur die eine Seite der Realität wieder, da sich Lippmanns Ansichten im Laufe der Jahre um 180 Grad drehen sollten und er sich infolge dieser Entwicklung in die Reihen der Propagandisten eingliedern lässt, welche eine simplifizierte, auf Images und Slogans basierende, Manipulation der Massen den Konzepten von wahrheitsgetreuer Aufklärung vorziehen.
Ein scheinbares Paradoxon ergibt sich hier auch aus der Tatsache, dass Walter Lippmann das Mittel der Beeinflussung der Massen nie konsequent und allumfassend abgelehnt hatte, sondern es hingegen sogar selbst zur Anwendung brachte, auf der anderen Seite jedoch die trügerische Lohnschreiberei eines Ivy Lee öffentlich kritisierte.
Das was die Vorgehensweisen Lippmanns von Männern wie Lee oder Bernays in Wahrheit unterschied, war ihr jeweiliger ideologischer Standpunkt. Denn im Gegensatz zu den meisten Propagandisten der damaligen Zeit war Lippmann kein so glühender Anhänger der Massentheorie; deren allgemeine Bedeutung er jedoch bereits in einer Buchkritik aus dem Jahre 1919 anerkannt hatte. Er machte im Gegensatz zu zahlreichen seiner Kollegen jedoch den entscheidenden Unterschied, dass er das menschliche Individuum auch weiterhin als ein vernunftbegabtes Wesen betrachtete, welches man auch innerhalb der Masse über die Kanäle sachlicher Diskussion erreichen und so zu einem mündigen, demokratischen Bürger erziehen könne, welcher seine Entscheidungen auf der Basis von Rationalität begründen könne.
Demnach war Lippmanns Kritik weniger dagegen gerichtet, dass die Presse ihre Position in einem persuasiven (=überzeugerischen) Sinne nutzte; dies tat er sogar selbst, wenn es darum ging einem von ihm favorisierten Politiker in seinen Artikeln publizistische Schützenhilfe zu leisten; seine Kritik richtete sich viel eher gegen die Art und Weise wie Manipulation oftmals praktiziert wurde. Denn er sah die Gefahr heraufziehen, dass eine von finanziellen Interessengruppen abhängig gewordene Pressearbeit, welche sich zunehmend auf emotionalisierte Symbolismen verstieg, den Zugang zu Fakten verhindern und die Bürger somit in ihrer rationalen Entscheidungsfindung beeinflussen würde. Er argumentierte also im liberalen Geiste der amerikanischen Verfassung, welche die Bürger der USA vor politischen Manipulationsversuchen zu schützen gedachte und den Anspruch geltend machte sie zu umsichtigen und mündigen Bürgern zu erziehen. Eine Annahme, welche jedoch eine pluralistische und ausgewogene Presse zur Grundvoraussetzung hatte und welche von den immer vehementer in den Journalismus vordringenden Geld- und Machtinteressen privater Konzerne und Behörden unterminiert zu werden drohte.
Da sich derartige Ansichten durch alle frühen Texte Lippmanns ziehen, welche sich mit dem Problem von Presse und Propaganda befassen, kann man davon ausgehen, dass er mit seinen Briefen an Präsident Wilson zwar die Schaffung einer zentralen Informationsbehörde im Stile des CPI herbeigewünscht hatte, dass er aber nicht den Verlauf ihrer Arbeitsweisen vorausgesehen hatte, in denen sich schließlich die Ansichten der Massentheoretiker gegen die der Liberalen durchsetzen sollten. - Die Geister, die Lippmann somit selbst heraufbeschworen hatte, sollte er zeitlebens nicht mehr loswerden.

Dass diese befürchteten Manipulationskampagnen nicht bloß die Schreckgespinste eines Walter Lippmanns waren sollte sich bald herausstellen. Denn bereits zu Beginn der 1920er Jahre kam es zu einer solchen, von Finanzinteressen gesteuerten Manipulation der Öffentlichen Meinung, welche die Bürger scharenweise zu einem im Grunde irrationalen Verhalten verleitete. Zu jener Zeit starteten die amerikanischen PR-Strategen (unter ihnen auch Edward L. Bernays) eine großangelegte Werbekampagne, mit der sie die Menschen davon überzeugen wollten, ihr Geld an den, durch die florierende Wirtschaft angekurbelten, Aktienmärkten zu investieren. Das hierfür benötigte Kapital sollten sie sich einfach von den Banken leihen.
Infolge ihrer einseitigen Darstellung von sicheren Märkten und nahezu risikolos zu erwirtschaftenden Profiten verfielen zahlreiche amerikanische Durchschnittsbürger dem Börsenfieber und befolgten die Ratschläge, welche ihnen Bernays und seine Kollegen zuvor erteilt hatten. [6]
Das böse Erwachen ließ jedoch nicht allzu lange auf sich warten. Denn als in den Jahren 1928/29 die große Finanzkrise über die amerikanischen Märkte hereinbrach blieben die so betrogenen auf einem Haufen wertloser Papiere und ihren aufgenommenen Bankverschuldungen sitzen und sahen sich deshalb gezwungen die Schuldlasten mit ihren Ersparnissen oder mit Realwerten, wie beispielsweise mit ihren Häusern, auszugleichen. Die großen Gewinner waren also nicht die zuvor umworbenen Bürger, sondern die auftraggebenden Banken.
Diese Entwicklungen hatten natürlich einen gewaltigen Imageverlust für die gesamte PR-Branche zur Folge. Doch einen hemmenden Einfluss, auf den beständig voranschreitenden Siegesfeldzug der Propaganda, vermochte diese neugewonnene Skepsis innerhalb der Bevölkerung nicht auszuüben. Denn Bernays und seine Kollegen hatten zu jener Zeit unlängst eines der wichtigsten Konzepte moderner Öffentlichkeitsarbeit erkannt: Die beste PR ist immer die, welche nicht als solche erkannt wird!

Im Jahre 1924 wagte sich Edward Bernays schließlich wieder auf die Bühne der großen Politik vor, indem er einen Auftrag entgegen nahm, welcher sich mit dem Image des US-Präsidenten, Calvin Coolidge, befasste. Wie immer jedoch in der Rolle eines Souffleurs, der, hinter den Kulissen verborgen, seine Anweisungen erteilte.
Coolidge galt in der öffentlichen Wahrnehmung jener Zeit als ein profilloser, wenn nicht sogar langweiliger Charakter; und es wurde Edward Bernays zuteil, diese Wahrnehmung in ihr Gegenteil zu verkehren. Er wählte für diesen Auftrag eine Herangehensweise aus den Bereichen der „Home Story“, indem er insgesamt 34 Hollywoodstars dazu animierte Coolidge im Weißen Haus zu besuchen. Jeder einzelne von ihnen wurde dem Präsidenten zunächst namentlich vorgestellt und verbrachte dann eine gewisse Zeitspanne mit ihm bei Kaffee und Kuchen. „Coolidge entertained actors“ (Coolidge unterhielt Schauspieler) titelten daraufhin die Zeitschriften des Landes. [7]
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"Ich kenne keinen sichereren Treuhänder der ultimaten Macht der Gesellschaft als das Volk an sich; und wenn wir sie nicht für erleuchtet genug halten, diese Kontrolle mit wohlwollender Umsicht durchzuführen, dann ist die Abhilfe nicht, sie ihnen wegzunehmen, sondern ihre Umsicht zu prägen."
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Alt 11.01.2010, 20:40
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(1. Fortsetzung: 1.3. "Paradigmenwechsel"):

Die Konzepte und Theorien, auf denen Edward Bernays seine Propagandaarbeiten in jener Schaffensphase aufbaute, wurzelten jedoch längst nicht mehr einzig und allein in den Bereichen der Massentheorie (wie sie beispielsweise von Gustave Le Bon begründet wurde) oder den Erkenntnissen von Sigmund Freuds Psychoanalyse; denn auch die theoretischen Grundlagen, welche die Kommunikationsexperten ihren Arbeitsweisen zugrunde legten, hatten sich mittlerweile weiterentwickelt.
Die Strategie, dass ein PR-Berater die Rolle eines aktiven „Ereignisschöpfers“ einnehmen müsse, welcher Geschehnisse mit Nachrichtenwert künstlich generieren könne, hatte Bernays erstmals in seinem 1923 publizierten Buch „Crystallizing Public Opinion“ zu Papier gebracht, in welchem er die Arbeitsweisen von PR theoretisch zu erfassen versuchte.
Diese „ereignisschöpferische“ Herangehensweise zeigt beispielsweise auch der von Bernays initiierte „Soap Sculpture Contest“ auf, welchen er für den Seifenhersteller „Procter and Gamble“ ins Leben gerufen hatte. Er hatte zuvor zwei wichtige Faktoren herausgefunden, welche er dann in die Generierung jenes Wettbewerbes einflocht: (1) Dass Kinder eine generelle Abneigung gegen Seife hegten und (2) dass es Bildhauer gab, welche Seife als Grundstoff für ihre Skulpturen verwendeten. Hieraus erarbeitete er das Konzept, einen nationalen Wettbewerb an den Schulen der USA auszurufen, in welchem Kinder Skulpturen aus Seife anfertigen sollten und über den die Presse mit Freuden berichten sollte. - Die Idee schlug ein wie eine Bombe. Der alljährlich stattfindende Soap Sculpture Contest sollte sich in den kommenden 35 Jahren einer großen Beliebtheit an US-amerikanischen Schulen erfreuen und in den landesweiten Zeitungen publizistische Unterstützung erfahren.

Viele Dinge, die Edward Louis Bernays in „Crytallizing Public Opinion“ ausgearbeitet hatte, wurzelten jedoch in den Erkenntnissen anderer Vordenker. Hier ist vor allem die bereits erwähnte Schrift „Massenpsychologie und Ich-Analyse“ seines Wiener Onkels, Sigmund Freud, zu nennen, in welcher dieser die Le Bon´sche Massentheorie einer tiefgreifenden Reformation unterzogen hatte.
Aus der Freudschen Theorie des Individuums, welches sein Ich-Ideal innerhalb der Massensituation an ein übergeordnetes Objekt (wie beispielsweise einen Führer) überstelle, leitete dessen Neffe nicht bloß seine Konzepte ab, nach denen ein PR-Stratege Produkte und gedankliche Ideologien mit Eigenschaften und Attributen versehen müsse; auf welche das Massenindividuum wiederum sein Ich-Ideal projektieren könne; sondern auch die Auffassung, dass es der Verantwortung einer intellektuellen Elite bedürfe, die irrational handelnde Masse und ihre Einstellungen und Meinungen zu kontrollieren. Diese Sichtweise spiegelt sich unter anderem in seinen späteren Verlautbarungen wieder, welche die Rolle der Propaganda im Dienste eines friedvollen Zusammenlebens innerhalb einer funktionierenden Demokratie sehen und die Personen, welche diese sozialen Kontrollmechanismen beherrschen, als die wahre und verborgene Herrschermacht eines Landes umschreiben. [Vgl. 01.1]
Bernays charakterisierte die Masse infolge dieser ideologischen Überzeugung als eine „Herde die geführt werden muss,“ und deren Herdenmentalität sie „empfänglich für Führung“ mache. [8]

In solcherlei Aussprüchen schwang ein eindeutiger Hang zu den Ideologien eines Gustave Le Bons mit; welcher auch von Sigmund Freud affirmativ gelobt und zitiert wurde; und dessen geistige Nähe zu Niccolo Machiavelli mehr als offenkundig erscheinen will. Doch wurden derartige Zitate aus dem Munde eines Edward Bernays im Laufe der Zeit immer rarer; was man aber nicht auf einen ideologischen Umschwung seiner Ansichten zurückführen sollte, sondern im Zusammenhang mit der, durch die Ereignisse der 20er/30er Jahre geprägte, zunehmend kritischen Haltung der Öffentlichkeit gesehen werden muss. Denn auch wenn er sich fortan mit derartigen Äußerungen zurückhielt, so ließ Bernays im Grunde nie einen Zweifel an seiner Einstellung aufkommen, dass die Bedürfnisse der Massen auf den Willen der elitären Obrigkeit eingestimmt werden mussten und dass er die Konzepte der liberalen „Bottom-Up“ -Theorie (Regieren von Unten nach Oben) als überholt ansah. Er vertrat die Meinung, dass nur das aktive Handeln einer intellektuellen Minderheit die Gesellschaft zu neuen Ideen und Leistungen führen würde und dass es den Propagandawissenschaften zugedacht war, diese Ambitionen Realität werden zu lassen:

Zitat:
" Die (intellektuelle und elitäre; Anm. d.A.) Minderheit hat eine schlagkräftige Hilfe entdeckt, um die Mehrheit zu beeinflussen. Auf diese Weise wurde es möglich, die Meinungen der Massen so zu transformieren, dass sie ihre neuerrungene Stärke nur in die ihnen vorgegebenen Richtungen lenken. Propaganda ist der operierende Arm der unsichtbaren Regierung.“ [9]
Erst in der späteren Phase seines Lebens sollte Edward Bernays zu seinen machiavellistischen Äußerungen und ihren ungewollten Wirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung erneut Stellung beziehen. Dies tat er innerhalb seiner Lebenserinnerungen mit folgenden Worten:

Zitat:
„Das American Journal of Sociology druckte meinen Artikel, ”Manipulating Public Opinion, the Why and the How”. Der Titel klingt heute unglücklich, doch wurde er veröffentlicht, bevor Hitler und Mussolini den Worten einen schlechten Beigeschmack gaben. Nur durch die Unbekümmertheit der Jugend läßt sich die optimistische Verwendung eines so pessimistischen Wortes wie „manipulieren“ erklären. (...)
Der Literary Digest vom 2. Juni 1934 behauptete ebenfalls, dass ich den Presseagenten in einen Wissenschaftler verwandelt hätte. Der Artikel erwähnte unsichtbare Macht, Kontrolle über das Denken der Massen, Verkaufstricks und meine machiavellistische Einstellung, was für mich sehr peinlich war. Teilweise musste ich mir aber selbst die Schuld zuschreiben, weil ich schon viel früher über Kontrolle, über das Denken der Masse und die unsichtbare Macht geschrieben hatte.“ (10)
Das Edward Louis Bernays ein Neffe des berühmten Psychoanalytikers Sigmund Freud gewesen ist und dass die Erkenntnisse seines Onkels auf diese Weise einen prägenden Einfluss auf Bernays Ansichten und Arbeiten genommen haben, ist den meisten Menschen; wenn sie denn überhaupt einmal von Edward Bernays gehört haben; allgemein bekannt. Und die Zahl derer, denen dieser sogenannte „Begründer der Public Relations“ mittlerweile ein Begriff ist, wächst beständig. Dies ist wohl nicht zuletzt dem gesteigerten Interesse geschuldet, mit welchem seine Person nun, nach seinem Tode im Jahre 1995, bedacht wird. (Edward Louis Bernays verstarb am 6. März 1995 im beinahe biblischen Alter von 104 Jahren in seiner Wahlheimat New York.)
So produzierte beispielsweise der Filmemacher Adam Curtis, im Jahre 2002, für die BBC die umfangreiche Fernsehdokumentation „The Century of the Self“ welche sich eingehend mit dem Leben und Wirken des Edward Bernays auseinandersetzt. Zudem wurde sein berühmtestes Buch „Propaganda“ von Patrik Schnur ins Deutsche übersetzt und im „Orange Press“ –Verlag publiziert. Außerdem widmeten sich mehrere Zeitungen und Zeitschriften einer Art „Rückruf“ auf Bernays Leben und den Auswirkungen seines Wirkens auf die moderne Propagandaarbeit. ( U.a. die Süddeutsche Zeitung mit dem Titel „Der Beginn des Doktor Spin – Die Geburt der PR“ (2007) und der SPIEGEL mit dem mehrseitigen Artikel „Meister der Verdrehung“ (2006). )
Weitaus weniger bekannt ist jedoch die Tatsache, dass sich noch ein paar weitere illustre Persönlichkeiten im Stammbaum des Edward Louis Bernays finden, über welche er 1954 in dem Artikel „My Uncle Sigmund Freud“ selbst Auskunft erteilte. Demnach war er sogar in doppelter Hinsicht mit Sigmund Freud verwandt. Denn nicht nur seine Mutter war eine Schwester des berühmten Psychoanalytikers; darüber hinaus war Freud auch mit einer Schwester von Bernays Vater verheiratet. Außerdem war Edward Bernays der Urenkel von Isaak Bernays, dem Oberrabbiner von Hamburg, welcher wiederum ein Verwandter von Heinrich Heine gewesen ist. [11]

An dieser Stelle erscheint es zumindest erwähnenswert, dass nicht nur Edward Bernays von den Erkenntnissen seines Onkels profitiert hatte, sondern dass auch umgekehrt Sigmund Freud einen Profit aus diesen Familienbanden zu schlagen wusste. Denn während Sigmund Freud unter den wirtschaftlichen Schwächen Europas beinahe in den Bankrott getrieben wurde, veranlasste der bereits zu Geld und Ansehen gekommene Bernays die Veröffentlichung von Freuds Büchern in den USA. Nachdem er diesen durch wohlgelittene Rezensionen zu Ansehen verholfen und sich Freuds Theorien auch in den USA etabliert hatten, nutzte er ihre Verwandtschaft fortan auch selbst, um seiner eigenen Stellung mehr Ausdruck zu verleihen. Er sprach in der Öffentlichkeit nun immer häufiger über seinen „Onkel Sigmund Freud“ oder „Uncle Siggi“, wie er gelegentlich zu sagen pflegte. - Bernays war nun einmal PR-Mann durch und durch... [12]

Ebenso wie mit seinen Familienbanden verhält es sich im Grunde auch mit den verschiedenen Autoren, welche seine Arbeit beeinflusst haben. Denn auch hier ist vielen zwar bekannt, dass sowohl die Freudsche Psychoanalyse, als auch die Massenpsychologie einen erheblichen Einfluss auf die Ausarbeitung seiner Konzepte gehabt haben, während die anderen inspirierenden Buchtitel und Ideengeber jedoch weitestgehend übersehen werden. Aber auch hier steht uns Bernays selbst bereitwillig Rede und Antwort; dieses mal in seiner Autobiographie, in welcher er schreibt:


Zitat:
„Walter Lippmanns Buch Public Opinion erschien im Jahre 1922 und machte auf mich großen Eindruck. Das gleiche traf aber auch für William [sic] Trotters Instinct of the Herd, Everett Dean Matins Behavior of Crouds und Le Bons Massenpsychologie zu.“ [13]
Ein besonderes Interesse sollte hier dem erstgenannten der Autoren, Walter Lippmann, entgegengebracht werden, da dessen Ausarbeitungen über die gesamten 20er Jahre hinweg eine der größten Inspirationsquellen für Bernays darstellten. So sieht beispielsweise der am Europainstitut Viadrina beschäftigte Kommunikationswissenschaftler Thymian Bussemer in seinem Buch „Propaganda – Konzepte und Theorien“ Edward Bernays in der Rolle eines „populären Übersetzers Walter Lippmanns“, welcher dessen gedankliche Theorien „in die Praxis persuasiver Kommunikation“ überführte. Diese Annahme begründet er mit der Tatsache, dass „in den zwanziger Jahren auf Lippmann-Bücher regelmäßig Bernays-Veröffentlichungen mit einem ähnlichen Gegenstand gefolgt“ waren. [14] ( Public Opinion [Lippmann; 1922] - Crystallizing Public Opinion [Bernays; 1923] / The Phantom Public [Lippmann; 1925] - Propaganda [Bernays; 1928] )
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"Ich kenne keinen sichereren Treuhänder der ultimaten Macht der Gesellschaft als das Volk an sich; und wenn wir sie nicht für erleuchtet genug halten, diese Kontrolle mit wohlwollender Umsicht durchzuführen, dann ist die Abhilfe nicht, sie ihnen wegzunehmen, sondern ihre Umsicht zu prägen."
( Thomas Jefferson )

"Dogmen; die religiösen, wie die wissenschftlichen; sind die großen Feinde wahrer Erkenntnis. Denn wer glaubt, braucht nicht zu wissen;und wer weiß, braucht nicht zu denken."
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Alt 11.01.2010, 20:43
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(2. Fortsetzung: 1.3 "Paradigmenwechsel"):


Gerade einmal ein Jahr vor der Erstveröffentlichung von Walter Lippmanns Public Opinion, im Jahre 1922, hatte Sigmund Freud in seiner Publikation Massenpsychologie und Ich-Analyse bereits die Annahme geschildert, nach welcher „der persönliche intellektuelle Akt des Individuums“ innerhalb der Massensituation „zu schwach“ sei, „um sich selbst zur Geltung zu bringen und (...) auf Bekräftigung durch gleichartige Wiederholung vonseiten der anderen warten“ müsse. Dieser Umstand, so Freuds Argumentation, weise darauf hin, „wie viel von diesen Phänomenen der Abhängigkeit zur normalen Konstitution der menschlichen Gesellschaft gehört (...) die sich als Rasseneigentümlichkeiten, Standesvorurteile, öffentliche Meinung und dergleichen“ bahnbrächen. [15] [Vgl. 01.1]
Ein ganz ähnlicher Denkansatz fand sich nun auch in Lippmanns Public Opinion wieder, dessen Hauptthese; die sogenannte „Stereotypen-Definition“; eben diese gesellschaftlichen Einflüsse zum Gegenstand seiner Forschung erklärte.
Walter Lippmann war infolge seiner Auseinandersetzung mit der Frage, wie öffentliche Meinung eigentlich zustande kam, zu der Ansicht gelangt, dass „eine objektive Information des Publikums nicht allein durch medienpolitische Maßnahmen sicherzustellen sei. Denn das eigentliche Problem bestehe darin, dass die Menschen die Welt nur verzerrt perzipieren könnten, da sie ihr nicht direkt gegenüber träten, sondern sie vermittelt durch eine Pseudoumwelt (pseudo environment) wahrnähmen. (...) Zudem sei es möglich, dass das die Wahrnehmung leitende pseudo-environment der Menschen durch Propaganda manipuliert werde, etwa dadurch, dass die Images von bestimmten Ereignissen entgegen der Wirklichkeit inszeniert würden oder durch die Beeinflussung der Regeln, nach denen das pseudo-environment arbeitet. Propaganda fungiere dann als eine Art „barrier between the public and the event“. [16] (Zu Deutsch: Barriere zwischen der Öffentlichkeit und dem Ereignis.)
Mit diesem Standpunkt erkannte Walter Lippmann nicht nur als einer der Ersten die immense Rolle, welche die gerade im Entstehen begriffenen, modernen Medien auf die öffentliche Meinung zu nehmen vermochten; da diese durch ihre Beschaffenheit in besonderem Maße dazu geeignet sind „Pseudoumwelten“ in den Köpfen der Menschen zu implementieren; sondern er erkannte auch die Tatsache, dass Menschen durch ihre gesellschaftlich-kulturelle Vorprägung dazu neigen mussten, Ereignisse durch die verzerrende und vereinfachende Brille ihrer Sozialisation zu betrachten.

Der ernüchternden Erkenntnis zum Trotze, dass Propaganda in ihrer Funktion als „Barriere zwischen der Öffentlichkeit und dem Ereignis“ den Zugang zu Fakten zunehmend versperren und die Pseudoumwelten der Massen manipulieren würde, trennte sich Lippmann auch weiterhin nicht vollends von seinen liberalen Überzeugungen, nach denen er den Durchschnittsmenschen als ein zu rationalem Handeln befähigtes Wesen betrachtete. Diese Haltung brachte er im letzten Kapitel von Public Opinion mit folgenden Sätzen zum Ausdruck:


Zitat:
„Es ist unabdingbar in dem Glauben zu leben, dass guter Wille etwas bewirken kann. Zwar sind wir nicht dazu in der Lage in jedem Fall zu beweisen, dass Hass, Intoleranz, Misstrauen, Bigotterie, Intransparenz, Angst und Lügen die sieben Todsünden wider die öffentliche Meinung sind, oder zu begründen, warum dies so ist. Wir können lediglich darauf bestehen, dass sie im Appell an die Vernunft keinen Platz haben und dass sie auf lange Sicht Gift sind.“ [17]
Doch war dieser vordergründig zur Schau getragene Idealismus Lippmanns bereits zu dieser Zeit merklich durch die Erkenntnis getrübt worden, dass sich die moderne Propagandaarbeit gegen die Ideale einer sachlich ausgewogenen Presse durchzusetzen drohte. Denn er gestand auch ein, dass er „mehrere unterschiedliche Enden für dieses Buch geschrieben und diese hernach wieder weggeworfen,“ [18] habe, was zweifelsohne auf eine mangelnde Überzeugung hindeutet, mit welcher er jene abschließende These betrachtet haben muss.

Im darauf folgenden Jahr (1923) veröffentlichte nun auch Edward Bernays ein Buch, welches nicht nur in seinem Titel eine offenkundige Ähnlichkeit zu der vorangegangenen Publikation Walter Lippmanns aufwies. Während Lippmann sein Werk vollkommen wertfrei „Public Opinion“ (zu Deutsch: Öffentliche Meinung) getauft hatte, nannte Bernays seinen Titel „Crystallizing Public Opinion“ (zu Deutsch: Herauskristallisieren [sinngemäß: aktives Herausbilden] der Öffentlichen Meinung) und ließ somit kaum Zweifel an den Ambitionen aufkommen, welche er seinem Text zugrunde gelegt hatte.
Bernays, dem die liberalen Moralvorstellungen eines Walter Lippmann nie zueigen gewesen sind, nutzte die Erkenntnisse seines Kollegen nun dafür, um sie in die Arbeiten der Propagandaforschung zu überführen. Auf dieser Basis entwickelten die Praktiker persuasiver Kommunikation nun eine ganze Reihe an Konzepten, über die sie die prägenden Einflüsse der Pseudo-Umwelten der Masse zielgerichtet manipulieren wollten.
Eine etwas eingehendere Erwähnung verdient hierbei beispielsweise die Konzeption der Wiederholung (repeating), bei welcher man davon ausgeht, dass die kontinuierliche Wiederholung von immer gleichbleibenden Slogans und Parolen die Wahrnehmung der Rezipienten nachhaltig formen könne. Denn während innovative und neuartige Standpunkte stets mit einem grundliegenden Skeptizismus betrachtet werden; welcher die erhaltene Information gegen bereits bestehende Ansichten und Meinungen abgleicht; mussten immer wiederkehrende Verlautbarungen bei den Empfängern, langsam aber sicher, zu einem festen Bestandteil ihres Weltbildes werden, da ihre Skepsis durch die Mechanismen der Gewöhnung bereits abgeschwächt und ihr Realitätsbild durch die Stereotypie gleichartiger Informationswiederholung vorgeprägt worden waren.
Diese Schlüsselfunktion „gleichartiger Wiederholung vonseiten der anderen,“ welche von Sigmund Freud bereits 1921 erwähnt worden war, fand nun, nach der Präzisierung durch Walter Lippmanns Stereotypen-Definition, endgültig Einzug in die praktische Arbeit der Propagandisten. Denn mit Lippmann war man nun zu dem Standpunkt gelangt, „dass Erinnerung grundsätzlich durch das Abrufen von gespeicherten Bildern funktioniere. Dabei sei deren Eindringlichkeit für das menschliche Gehirn das primäre Ordnungskriterium, ihr Wahrheitsgehalt dagegen sekundär.“ [19]
Der österreichische Schriftsteller, Alfred Polgar, brachte die Mechanismen der Wiederholung auf den Punkt, indem er schrieb: „Die Menschen glauben viel leichter eine Lüge, die sie schon hundert mal gehört haben, als eine Wahrheit, die ihnen völlig neu ist,“ während sein deutscher Schriftstellerkollege, Oliver Hassencamp, die dahinter liegenden Konzepte der Manipulation skizzierte: „Immer wieder behauptete Unwahrheiten werden nicht zu Wahrheiten, sondern was schlimmer ist, zu Gewohnheiten.“

Natürlich waren es die im Entstehen begriffenen, modernen Massenmedien, welche einen ebenso kontinuierlichen wie eindringlichen Transport von zu vermittelnden Ansichten und Meinungen am effektivsten bewerkstelligen konnten, da diese die Menschenmassen in einer zuvor noch niemals da gewesenen Quantität zu erreichen vermochten. Und auch hier kann man davon ausgehen, dass sich die Propagandisten bereits bestehender gesellschaftlicher Einstellungen bedienten, um ihre psychologische Einflussnahme auf das Denken der Masse zu kaschieren.
Denn durch die verfassungsgemäß garantierte, sachliche Ausgewogenheit der Presse und einem traditionell auf Enthüllungen ausgerichteten Journalismus ( sogenannter muckraking journalism [20] ) war die Öffentlichkeit bislang mit einem tiefverwurzelten Vertrauen herangewachsen, welches sie den Medien entgegenbrachte. Da die beständig wachsende Bedeutung von Public Relations und Propaganda aber stets darauf ausgerichtet war, nicht als solche erkannt zu werden, sondern sich hinter einer vermeintlich journalistischen Arbeit zu verstecken pflegte, blieben ihre Einflüsse auf die Presselandschaft über einen langen Zeitraum weitestgehend unbemerkt. Somit fanden die Konzeptionen der Pressemitteilung, der selektierten Themenauswahl oder der künstlichen Ereignisschöpfung immer größeren Einzug in die Publikationen der Presse und somit auch in die Denkweise der Menschen, ohne dass sich deren Sichtweise auf die Medienlandschaft in einer nennenswert kritischen Weise mitverändert hätte.

Walter Lippmanns Public Opinion markierte somit einen weiteren Meilenstein in der (persuasiven) Kommunikationsforschung und wird bis in die Gegenwart als wegweisend angesehen, da es erstmals die Macht der öffentlichen Meinung in die politische Theorie überführte. Diese Nachhaltigkeit der lippmannschen Konzepte manifestiert sich beispielsweise in der Praxis moderner Propaganda, welche sich bis zum heutigen Tage auf die Grundzüge der Stereotypen-Definition stützt.
Um diesen Umstand etwas greifbarer zu machen entsinnen Sie sich noch einmal auf die Vehemenz zurück, mit welcher die US-amerikanischen und die britischen Administrationen die Weltöffentlichkeit auf den jüngsten Irakkrieg einschworen. Hierfür produzierten sie ein allgegenwärtiges, medial perfekt platziertes Szenario, in welchem fortwährend die Gefahr betont wurde, welche, ausgehend von Saddam Husseins Regime, die ganze Welt bedrohe. Begründet wurde diese vermeintliche Gefahr durch die ständige Wiederholung von (1) Massenvernichtungswaffenprogrammen der irakischen Regierung, (2) der Unterstützung des Terrornetzwerkes Al Quaida oder (3) der Prolieferation von waffenfähigem Uran.
Da sich jedes dieser Argumente mittlerweile als propagandistische Lüge herausgestellt hat, bleibt bei rückblickender Betrachtung nur die Schlussfolgerung übrig, dass Lippmanns Einschätzung, dass die Eindringlichkeit von Slogans gewichtiger als deren Wahrheitsgehalt sei, bis heute ihre Gültigkeit bewiesen hat. – Vor allem dann, wenn der Zugang zu gegenteiligen Fakten durch Propaganda und einseitige Berichterstattung weitestgehend versperrt ist.
Eine solche Retrospektive der Propagandaarbeiten bezüglich des jüngsten Irakkrieges nahm auch Andrea Szukala in ihrer Arbeit „Medien und öffentliche Meinung im Irakkrieg“ vor, welche auf der Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht wurde. [21]
In diesem Text legt Frau Szukala ihren Fokus jedoch auf die Frage, wie man die Propaganda hätte effektiver gestalten können (respektive: Wie man die öffentliche Meinung hätte nachhaltiger manipulieren können. ). Hierbei bewegt sie sich ganz auf der Linie von Walter Lippmanns Stereotypen-Definition und der Implementierung/Kanalisierung von Pseudoumwelten in den Köpfen der Menschen. So schreibt sie beispielsweise von einer abhanden gekommenen „westlich-amerikanischen Bilderhoheit im Konfliktfall,“ oder über einen durch die „Beschleunigung und Globalisierung der Kommunikation“ entstandenen „alternativen Interpretationsrahmen (Al-Dschazira-Effekt [sic])“, welche es beinahe unausweichlich machen würden, „den Informationskrieg mit neuer Dringlichkeit zum Thema zu machen, um eigene Ziele und Ressourcen nicht zu gefährden.“
Etwas später beschreibt Szukala, dass „Aufgrund der bereits bestehenden Dispositionen der amerikanischen öffentlichen Meinung, einen langen „Krieg gegen den Terror“ zu führen, (...) die amerikanische Regierung das „Response Shaping“ [22] nutzen (konnte) um eine bereits vorhandene Mobilisierung der Amerikaner für einen Konflikt zu kanalisieren.“ Ein propagandistisches Defizit scheint die Autorin jedoch in den unterschiedlichen Argumentationsweisen zu sehen, welche den Übergang von Diplomatie zum Kampfeinsatz rechtfertigen sollten, da diese nur schwer nachvollziehbar gewesen seien und im Vorfeld nur „wenig Mühe aufgewandt (wurde), die Notwendigkeit einer Intervention im Irak überzeugend zu begründen bzw. bei einer Argumentation zu bleiben (...),“ was sich durchaus als Verweis auf die Effektivität immer gleichbleibender Wiederholung (repeating) interpretieren lässt.
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"Ich kenne keinen sichereren Treuhänder der ultimaten Macht der Gesellschaft als das Volk an sich; und wenn wir sie nicht für erleuchtet genug halten, diese Kontrolle mit wohlwollender Umsicht durchzuführen, dann ist die Abhilfe nicht, sie ihnen wegzunehmen, sondern ihre Umsicht zu prägen."
( Thomas Jefferson )

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  #15  
Alt 12.01.2010, 22:25
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(3. Fortsetzung: 1.3 "Paradigmenwechsel"):

Aber alles zu seiner Zeit. Kehren wir zunächst wieder zurück in die 1920er Jahre und der Ausarbeitung persuasiver Kommunikationskonzepte durch Personen wie Lippmann und Bernays.
Unter allen PR-Vertretern jener Zeit verstand sich vor allem Edward Louis Bernays darauf, bereits bestehende, gesellschaftliche Sichtweisen in seinen Werbe- und Imagekampagnen einzuflechten. So machte er sich beispielsweise den nahezu vorbehaltlosen Glauben an wissenschaftliche Expertise zu Nutze, indem er sich mehr und mehr darauf spezialisierte seine Arbeiten mit Expertenmeinungen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen zu untermauern, um diesen so zu größerer Glaubwürdigkeit zu verhelfen und den werbenden Charakter seiner Botschaften zu kaschieren.
Ein exemplarisches Beispiel für diese Herangehensweise bietet wohl sein Engagement für die US-amerikanischen Fleischfabrikanten, bei welchem er selektiv die Expertise von Ernährungswissenschaftlern und Medizinern einholte, welche einem deftigen Frühstück den Vorzug gegenüber einer leichteren Variante gaben.
Unter der Nennung dieser (selektierten) Expertenmeinungen konnte Bernays nun dazu übergehen, den Konsumenten einen „gesunden“ Verzehr von „Bacon and Eggs“ (Schinken und Eier) bereits zum Frühstück zu empfehlen – und die Verbraucher leisteten dieser Empfehlung scharenweise Folge.
Auf diese Weise gelang es Edward Bernays die Frühstücksgewohnheiten der Amerikaner so nachhaltig zu transformieren, dass „Bacon and Eggs“ nun zum festen Bestandteil des gesellschaftsmythischen „American Way of Life“ geworden sind und gegenwärtig; durch multinationale Unternehmungen wie McDonalds „Mc Breakfirst“ –Kampagne; ihre globale Weitervermarktung erfahren.

Das besonders perfide an dieser, auf wissenschaftlicher Expertise gründender, PR ist aber eigentlich der Umstand, dass sie nicht wirklich lügt, sondern sich der Tatsache bedient, dass in Wissenschaftskreisen zu so gut wie keinem Thema ein einheitlicher Konsens besteht. – Es ist demnach nahezu immer möglich eine Expertise zu finden, welche den gewünschten Standpunkt vertritt. Die Manipulation der öffentlichen Wahrnehmung besteht hier also lediglich aus der Selektion der jeweiligen Fachmeinung, welcher der PR-Stratege durch seine Kampagne eine publizistische Unterstützung zukommen lässt und sie so zu einem Teil des gesellschaftlichen Allgemeinwissens werden lässt.
Ein ungleich betrügerischeres Potential erfahren derartige Kampagnen jedoch durch den Umstand, dass zahlreiche (vermeintlich unabhängige) Forschungseinrichtungen und Institute einzig und allein zu dem Zweck gegründet und/oder finanziert werden, um das von der Industrie gewünschte Forschungsergebnis abzuliefern. Auf diese Weise wird nämlich nicht nur der wissenschaftliche Diskurs als solcher pervertiert, sondern auch die Wahrnehmung der Gesellschaft nachhaltig manipuliert, da diese davon ausgeht, dass die Bewertungen und Einschätzungen von einer scheinbar unabhängigen Drittpartei vorgenommen würde.
Diese Herangehensweise hatte auch Bernays schon früh erkannt und so schreibt John Stauber in seinem Buch „Trust us, we´re Experts“, auf Seite 45, dass Edward Bernays „mehr Institute und Stiftungen als Rockefeller und Carnegie zusammen“ gegründet habe. [23]

Die, auf diese und ähnliche Weise, beinahe allumfassende und immer perfekter agierende Beeinflussung der Massen war auch an Walter Lippmann nicht spurlos vorübergegangen, als sich dieser 1924 anschickte sein nächstes Werk („The Phantom Public“) zu schreiben, welches im darauffolgenden Jahr (1925) publiziert wurde.
In „The Phantom Public“ trennte sich Lippmann nun vollends von seinen liberalen Ansichten bezüglich einer zu rationalem Handeln befähigten Bevölkerung und attestierte ihr nun ebenfalls eine generelle Unfähigkeit, um an einem vernunftbasierten Diskurs teilnehmen zu können – ganz gleich wie viele Informationen man ihr auch bereitstelle. Viel eher sah er sie mit grundliegendem Desinteresse, unzulänglichem Engagement und Ignoranz ausgestattet und brachte dies innerhalb eines Sinnbildes auf den Punkt, in welchem er die Berichterstattung als ein Theaterstück und die Rezipienten als dessen Publikum umschreibt:


Zitat:
„Das Publikum betritt die Vorstellung erst in der Mitte des dritten Aktes und verlässt sie bereits wieder bevor der letzte Vorhang gefallen ist. Es bleibt gerade einmal lange genug um eventuell entscheiden zu können, wer der Held und wer der Schurke des Stücks gewesen ist.“ [24]
Infolge dieses ignoranten Desinteresses, welches Lippmann bei seinem Publikum zu erkennen glaubte, vollzog sich also auch die Abkehr von seinen vormals gehegten, liberalen Idealen und er betrachtete fortan eine „Expertenherrschaft“ als das Modell, welches man der Ideologie einer Herrschaft durch das Volk vorziehen müsse.
Mit dieser Entwicklung kann Walter Lippmann im Grunde als exemplarisch für die Transformation der US-amerikanischen Intellektuellen gesehen werden, welche zunehmend von ihren liberalen Grundsätzen abzurücken und sich daraus resultierend den Konzepten der Massenpsychologie zuzuwenden begann, welche das „Bottom-Up“ –Modell als überholt und veraltet ansieht. Der Paradigmenwechsel, welcher den Maßstäben einer publizistischen Öffentlichkeitsarbeit zugrunde gelegt wurde, war nun (nach circa 30 Jahren) beinahe vollständig vollzogen und das Feld den lenkenden Manipulationskampagnen der Propaganda überlassen worden...

In diesem neuentstandenen Klima verfasste nun auch Edward Bernays sein wohl berühmtestes Werk, „Propaganda“ ( 1928 ), in welchem er ebenfalls die gesellschaftliche Rolle verdeckter Einflussnahme auf die öffentliche Wahrnehmung betonte und diese in den Dienst an das Gemeinwohl innerhalb einer funktionierenden Gesellschaft stellte. [Vgl. 1.1]
Neben den vollmundigen und euphemistischen Darstellung, die er so bezüglich seines eigenen Fachbereiches vornahm; sowie der Negierung des Intellekts innerhalb der Masse; nutzte Bernays dieses Werk aber auch dazu, um seine bereits gesammelten Erfahrungen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit zu präzisieren und aus diesen allgemeine Konzepte und Richtlinien herauszuarbeiten, nach denen eine PR-Kampagne zukünftig aufgebaut werden sollte (und welche bis heute die Grundlagen der Public Relations darstellen). Diese Konzeptionen lassen sich im Großen und Ganzen in einem achtgliedrigen Schema zusammenfassen:

  • Definiere ein Ziel
  • Führe Forschungen durch
  • Verändere deine Ziele auf Basis deiner Forschungsergebnisse
  • Lege eine Strategie fest
  • Erstelle Themengebiete, Symbole und Anreize
  • Rufe eine Organisation ins Leben, welche deine Strategie umsetzt
  • Entscheide über das Timing und die Taktiken der Umsetzung
  • Setze deine Planung in die Tat um

Dieser Achtschritt lässt sich vortrefflich in Bernays vielleicht bekanntester PR-Kampagne wiedererkennen, welche er im Jahre 1929 (und somit nur ein Jahr nach der Veröffentlichung von Propaganda) für die British-American-Tobacco-Company (BAT) initiierte. Um dies zu verdeutlichen folgt nun eine allgemeine Darstellung der von Bernays gewählten Herangehensweisen, um diese hernach anhand seines 8-Punkte-Plans zu analysieren:

Während der New Yorker Osterparade des Jahres 1929 machte plötzlich eine Gruppe von Frauenrechtlerinnen (sogenannte Suffragetten) auf sich aufmerksam. Sie marschierten, in der für die Emanzipationsbewegung jener Tage typischen Kleidung über die gut besuchte 5th Avenue und rauchten in aller Öffentlichkeit Zigaretten, was einem Tabubruch gleichkam. Denn bis in die späten 20er Jahre hinein war der Tabakkonsum dem männlichen Teil der Bevölkerung vorbehalten und eine Zigarette in den Händen einer Frau galt allgemein als anrüchig – ja, war sogar per Gesetz verboten! Dennoch ließen sich die Damen bereitwillig von den herbeiströmenden Reportern fotografieren und skandierten das Rauchwerk in ihren Händen als Torches of Freedom (zu deutsch: Fackeln der Freiheit). Die Presse griff diese Bezeichnung bereitwillig auf und so wurden die abgelichteten Frauen als „Brigade Torches of Freedom“ (Brigade Fackeln der Freiheit) bekannt und die Zigarette in den Händen einer Frau zum Symbol für den Kampf gegen weibliche Unterdrückung und geschlechtspezifische Zwänge. [25]
Was zu diesem Zeitpunkt jedoch niemand wusste war die Tatsache, dass das gesamte Ereignis von langer Hand geplant und in seiner Wirkung bis ins kleinste Detail durchdacht gewesen ist. Widmen wir uns also einer kurzen Analyse dieser Kampagne, für welche wir den oben angeführten Achtschritt zum Maßstab nehmen wollen:

1. „Definiere ein Ziel“:
Da es sich bei Edward Bernays Auftraggeber um den Rauchwarenhersteller British-American-Tobaco (BAT) handelte, war sein Ziel weitestgehend vorgegeben. Es konnte (1) eine Steigerung des Tabakkonsums der Raucher oder (2) die Erschließung neuer Tabakkonsumenten umfassen, um so die Profite seines Auftraggebers zu erhöhen.

2. „Führe Forschungen durch“:
Es ist naheliegend, dass Edward Bernays, nachdem er das Profil der Tabakkonsumenten erforscht hatte, auf die Tatsache stieß, dass innerhalb der US-Amerikanischen Gesellschaft lediglich Männer rauchten, da der Zigarettenkonsum für Frauen gesellschaftlichen Tabus unterlag. Daraus ergab sich das Fakt, dass rund 50% der potentiellen Tabakkonsumenten bislang brachgelegen hatte.

3. „Verändere deine Ziele auf Basis deiner Forschungsergebnisse“:
Die Erkenntnis über das hohe Konsumpotential, welches man durch den weiblichen Anteil in der Gesellschaft noch aktivieren könnte, mag Bernays zu der Präzisierung seines Ziels geführt haben. Nämlich (1) Frauen dazu zu bewegen mit dem Rauchen anzufangen und (2) das Image der Zigarette von einem Symbol männlicher Unterdrückung ins Gegenteil zu verkehren.

4. „Lege eine Strategie fest“:
Bernays Primärziel muss nach der Erarbeitung der Punkte 1 bis 3 in einer angestrebten Verhaltensänderung (behavior shifting) bei der angesprochenen Zielgruppe (=Frauen) gelegen haben. Er wusste durch die Erkenntnisse der Psychoanalyse, dass es hiefür einer Emotionalisierung des Produktes bedurfte, welches er mit Symbolen und Assoziationen belegen musste, auf welche die Zielgruppe dann ihr persönliches Ich-Ideal projektieren konnte. (Siehe hierzu Punkt 5.)
Um dies zu gewährleisten wählte er die Strategie der „kreativen Ereignisschöpfung“, nach welcher ein PR-Stratege Ereignisse mit Nachrichtenwert künstlich zu generieren vermag und deren Konzepte er bereits in seinem Buch Chrystallizing Public Opinion (1923) erarbeitet hatte.

5. „Erstelle Themengebiete, Symbole und Anreize“:
Eines der wichtigsten Symbole, welches er in seiner Kampagne erstellen musste, war das der Zigarette als Symbol der Befreiung der Frau aus den Zwängen der Diskriminierung. Seine Wahl fiel mit der Bezeichnung „Torches of Freedom“ auf einen Begriff, der eine gewisse Analogie zu der Fackel der Freiheitsstatur aufweist und in der US-amerikanischen Bevölkerung, im allgemeinen, vor allem aber in der Bevölkerung New Yorks (wo die Kampagne stattfand), im speziellen, mit dem freiheitlichen Geist der gesamten Nation assoziiert werden musste.
Um diese Emotionalisierung jedoch zielgerichtet auf sein gewähltes Klientel anzuwenden bediente sich Bernays noch eines weiteren Symbols, indem er die rauchenden Frauen in den Kleidern der Suffragetten auftreten ließ, womit er eine Verbindung zwischen dem Akt des Rauchens und der Frauenrechtbewegung herstellen konnte. Der daraus resultierende Anreiz war demnach, dass Frauen rauchen mussten, wenn sie ihrem Bestreben nach Gleichberechtigung Ausdruck verleihen wollten.

6. „Rufe eine Organisation ins Leben, welche deine Strategie umsetzt“:
Die Organisation, die er für die Umsetzung seiner Strategie ins Leben rief, war demnach die angeworbene Gruppe von rauchenden Frauen, welche später unter dem Namen „Brigade Torches of Freedom“ bekannt werden sollte.

7. „Entscheide über das Timing und die Taktiken der Umsetzung“:
Ort und Zeit der ausgeübten Kampagne fielen mit der 5th Avenue, in New York und dem Tag der Osterparade auf äußere Gegebenheiten, welche eine größtmögliche Öffentlichkeit gewährleisten konnten, da die 5th Avenue an diesem Tage noch mehr Publikum beherbergen musste, als an den übrigen Tagen des Jahres, wodurch sich eine gewisse Mund-zu-Mund-Propaganda sicherstellen ließ.
Durch die Tatsache, dass Edward Bernays aber im Vorfeld bereits dafür gesorgt hatte, dass auch ausreichend Pressevertreter dort Vorort sein würden, stellte er ebenfalls sicher, dass es auch Bildmaterial von der Aktion geben würde und die nachher erfolgende Berichterstattung somit umfassend und exklusiv erscheinen musste.

8. „Setze deine Planung in die Tat um“:
Genau dies tat Bernays und es gelang ihm so das Laster des Rauchens, welches zuvor traditionell dem männlichen Bevölkerungsanteil vorbehalten war, auch bei den Frauen der USA zu etablieren und das Image der Zigarette, von einem (phallischen) Symbol männlicher Dominanz, in ihr genaues Gegenteil zu verkehren.

In dieser (aus PR-technischer Hinsicht) brillanten Aktion findet sich somit eine Vielzahl von bis dato noch weitestgehend unbekannten Manipulationsmechanismen ( behavior shifting / symbolhafte Emotionalisierung des Produktes / kreative Ereignisschöpfung ) und sie gilt bis heute als ein Paradebeispiel für gelungene PR-Arbeit.
Aber auch in der Nachbereitung der Kampagne überließ Bernays nichts dem Zufall. So machte er sich beispielsweise die (pseudo-)wissenschaftlichen Expertisen von unterschiedlichen Medizinern zunutze, welche (noch bis in die 50er Jahre hinein!) eine gesundheitsförderliche Wirkung des Rauchens proklamierten...

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Quellenverzeichnis / Anmerkungen:

[1] „Ordnung ins Chaos bringen – Über Edward Bernays Propaganda“; von Roger Behrens; Seite 3

[2] Vgl.: „Der Beginn des Doktor Spin – Die Geburt der PR“; von Dirk Schäfer; Süddeutsche Zeitung (28.07.2007)

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] „Propaganda – Konzepte und Theorien“; von Thymian Bussemer; Seite 85

[6] Vgl.: „Der Beginn des Doktor Spin – Die Geburt der PR“; von Dirk Schäfer; Süddeutsche Zeitung (28.07.2007)

[7] Ebd.

[8] Dr. Tim O´Shea (www.thedoctorwithin.com)

[9] Bernays 1961; Seite 19 (Übersetzt nach T. Bussemer; Seite 81)

[10] Bernays 1967; Seiten 148/155 - ( Rezitiert nach T. Bussemer; Seite 82 )

[11] Vgl. „Propaganda – Konzepte und Theorien“; von Thymian Bussemer; Seite 79 (Fußnote 52)

[12] Vgl.: „Der Beginn des Doktor Spin – Die Geburt der PR“; von Dirk Schäfer; Süddeutsche Zeitung (28.07.2007)

[13] Bernays 1967; Seite 143 (Rezitiert nach T. Bussemer; Seite 81)

[14] „Propaganda – Konzepte und Theorien“; von Thymian Bussemer; Seite 79 (Fußnote 53)

[15] „Massenpsychologie und Ich-Analyse“ (1995); von Sigmund Freud; Seite 79 (Rezitiert nach T. Bussemer)

[16] „Propaganda – Konzepte und Theorien“; von Thymian Bussemer; Seite 85f

[17] „Public Opinion“ (1922); von Walter Lippmann; Seite 417 (Übersetzt nach T. Bussemer; Seite 87)

[18] Ebd. Seite 411

[19] „Propaganda – Konzepte und Theorien“; von Thymian Bussemer; Seite 86

[20] Der sogenannte „Muckraking Journalism“ lässt sich durch den Begriff eines „Journalismus von Mistkratzern / Dreckaufwühlern / Nestbeschmutzern“ sinngemäß ins Deutsche übersetzen; wobei der eher negativ anmutende Unterton des gewählten Vokabulars jedoch nicht als gleichbedeutend mit der Bewertung ihrer funktionellen Bedeutung für die demokratische Gesellschaft betrachtet werden darf.
Geprägt wurde dieser Begriff durch den US-Präsidenten Theodor Roosevelt, welcher die investigative Arbeit der Journalisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit „dem Mann mit der Mistgabel“, einer Figur aus John Bunyans Buch „The Pilgrim´s Progress“, assoziierte. Ähnlich wie in Bunyans Werk umschrieb Roosevelt den Muckraker als eine Person, die eine gleichsam schmutzige, wie notwendige Arbeit klaglos verrichten würde.
Das „Muckraking Movement“ wird heute als der Ursprung des investigativen Journalismus gesehen, fand jedoch mit dem Eintritt der USA in den 1. Weltkrieg und der daraus resultierenden Dominanz des propagandistisch ausgerichteten Committee on Public Information (CPI) [Vgl. 01.2] ihr frühzeitiges Ende.

[21] „Medien und Öffentliche Meinung im Irakkrieg“; von Andrea Szukala; Veröffentlicht auf der Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung.

[22] Unter Response Shaping versteht man das Verstärken von Teilhandlungen, welche sich in ihren grundlegenden Zügen an eine erwünschte Gesamthandlung annähern.
Den Begriff des Shapings (auch: Approximation) findet man auch im Bereich der Instrumentellen & Operanten Konditionierung, bei welcher es um die Anerziehung von komplexen Handlungsabläufen geht. Das Shaping wird auf diese Weise (z.B. in der Tierdressur) dazu eingesetzt, um Lebewesen zu der Ausübung von normalerweise vollkommen unnatürlichen Handlungen zu erziehen.

[23] Auch wenn John Stauber als Experte in den Bereichen der verborgenen Einflussnahme von PR auf die Presse- und Medienlandschaft gesehen werden kann, so teile ich (der Autor) diese Einschätzung nicht, sondern betrachte sie entweder als eine stilistische Übertreibung, welche das immense Engagement zur Gründung von vermeintlich unabhängigen Drittparteien betonen soll, welches Edward Bernays seinen PR-Kampagnen zugrunde gelegt hat, oder als einen Hinweis auf fehlendes Hintergrundwissen Staubers bzgl. der Verflechtungen des Rockefeller- und Carnegienetzwerkes. Denn es erscheint mir eher unwahrscheinlich, dass eine Einzelperson wie Edward Louis Bernays dazu in der Lage wäre das (buchstäblich mit unerschöpflichen Finanzmitteln ausgestattete) Imperium der Carnegies und vor allem der Rockefellers und ihrer (in-)direkt gegründeten Unternehmungen zahlenmäßig zu übertreffen. Ich gehe hier also (wenn auch ungeprüft!) davon aus, dass eine Gegenüberstellung der von Bernays gegründeten Frontorganisationen mit allen Unternehmungen der von Rockefeller und Carnegie (und ihren verschiedenen Stiftungen) in-/direkt kontrollierten Gruppen zu Gunsten der Rockefellers und Carnegies ausfallen würde.

[24] „The Phantom Public“; von Walter Lippmann (1925); Seite 65 – ( Übersetzt nach T. Bussemer; Seite 88 )

[25] Vgl.: „Der Beginn des Doktor Spin – Die Geburt der PR“; von Dirk Schäfer; Süddeutsche Zeitung (28.07.2007)
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"Ich kenne keinen sichereren Treuhänder der ultimaten Macht der Gesellschaft als das Volk an sich; und wenn wir sie nicht für erleuchtet genug halten, diese Kontrolle mit wohlwollender Umsicht durchzuführen, dann ist die Abhilfe nicht, sie ihnen wegzunehmen, sondern ihre Umsicht zu prägen."
( Thomas Jefferson )

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Geändert von Norton (12.01.2010 um 22:28 Uhr)
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  #16  
Alt 14.01.2010, 12:44
Revolution2020 Revolution2020 ist offline
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Respekt!! Hast du das alles selber geschrieben??
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  #17  
Alt 14.01.2010, 14:50
Norton Norton ist offline
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Zitat:
Zitat von Revolution2020 Beitrag anzeigen
Respekt!! Hast du das alles selber geschrieben??
Danke... und "Ja", ich habe das alles selber geschrieben. Bis auf die Stellen, welche als Zitate angeführt werden und einige der kursiv geschriebenen Passagen. (Welche das genau sind, lässt sich aus den Fußnoten ersehen.)

Ohne bei Direktzitaten eine Angabe von Quellen folgen zu lassen wäre ja schließlich "Plagiat"...

Norton
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Geändert von Norton (14.01.2010 um 14:57 Uhr)
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  #18  
Alt 14.01.2010, 16:20
Kay Kay ist offline
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  #19  
Alt Gestern, 11:21
Norton Norton ist offline
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Zitat:
Zitat von Kay Beitrag anzeigen
kopieren erlaubt zwecks Wissensschaffung ?
Da bestehen von meiner Seite aus zunächst keine Einwände... Wenn du mir denn auch schreibst, wo du den Text genau veröffentlichen willst, dann kriegst du sicherlich auch ein konkretes "okay" von mir...
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  #20  
Alt Gestern, 11:31
Kay Kay ist offline
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Mir gehts nicht um veroeffentlichen konkret irgendwo.

Ich frag aber einfach nochmal an,wenn ich was konkretes haben sollte.
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