Zitat:
Zitat von _Cineris_
So etwas wie eine freie Presse gibt es nicht. Die eigentliche Aufgabe des Journalisten besteht darin, die Wahrheit zu zerstören, faustdicke Lügen zu erzählen, die Dinge zu verdrehen und sich selbst … für sein tägliches Brot zu verkaufen. Wir sind nichts weiter als intellektuelle
Prostituierte.
- John Swaiton Ehemaliger Herausgeber der New York Times
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Ein schönes Zitat! Und im Gegensatz zu dem berüchtigten "Bakerzitat" hat es den Vorteil, höchstwahrscheinlich authentisch zu sein.
Beschäftigt man sich näher mit diesem Zitat, entdeckt man allerdings erstaunliche Dinge. Gibt man "John Swaiton" "New York Times" ein erhält man bei Google ca. 3.000 Treffer. Viele davon sind doppelt gemoppelt, aber immerhin beachtlich. Besonders dann, wenn man bedenkt, dass der Mensch von dem die Rede ist, gar nicht "Swaiton" hiess. Interessanterweise findet man den Namen fast nur auf deutsch- bzw. französischsprachigen Seiten.
Gibt man bei Google stattdessen "Swainton" ein, hat man nur noch die Hälfte an Treffern. Der Name ist aber leider ebenfalls nicht falsch.
Womit wir bei "Swinton" angelangt wären. Hurra, es ist geschafft. John Swinton (1829 - 1901) ist der richtige Mann.
Das Zitat wird je nach Geschmack vollständig oder teilweise zitiert. Die "Zugaben" entspringen aber leider oft der Phantasie. Abgesehen von den falschen Namen wird Swinton oft als Herausgeber der New York Times ausgegeben, was nicht zutrifft. Meist wird Swinton als "chief of staff" bezeichnet. Bei uns so etwas wie Redaktionsleiter. Was nicht heissen soll, dass er unwichtig war. Ganz im Gegenteil. Swinton war ein angesehener Journalist, der für die New York Times viele Leitartikel schrieb. Er war eben kein Herausgeber.
Die Daten, die in diesem Zusammenhang oft genannt werden, kann man nur als abenteuerlich bezeichnen. Es wird z. B. behauptet, die Aussage stamme von "vor 30 bis 40 Jahren". Da hat man eben mal hundert Jahre unterschlagen. Es werden Zahlen wie 1953 oder 1914 gennannt. Swinton starb im Jahre 1901.
Swintons Aussage entstand auf einem Bankett, das Kollegen ihm zu Ehren ausgerichtet hatten als Erwiderung auf einen Toast auf die Pressefreiheit im Jahr 1880 (?). Es war keine förmliche "Abschiedsrede", da Swinton zu diesem Zeitpunkt der New York Times schon seit zehn Jahren nicht mehr anghörte.
Die einzig relevante Quelle ist das Buch der Autoren Richard O. Boyer und Herbert M. Morais "Labor's Untold Story", herausgegeben von der Gewerkschaft "United Electrical, Radio & Machine Workers of America".
Fazit: Gerade wenn man der Presse etwas vorwirft, sollte man selbst sauber arbeiten. In mindestens 90 % aller Fälle, die Swintons Zitat betreffen, ist dies nicht der Fall. Was ein bezeichnendes Bild auf die Akteure wirft. Gerade die falschen Namen beweisen, dass in der Regel blind kopiert wird.
Inwieweit es Swinton mit seiner Aussage ernst war oder ob ein gehöriger Schuss Zynismus mitspielte, lässt sich nicht sagen. Auf jeden Fall gab Swinton später seine eigene Wochenzeitung, die "John Swinton's Paper" heraus. Diese diente vor allem der Unterstützung der amerikanischen Arbeiterbewegung, deren aktives Mitglied Swinton war.
Hier erfährt man einiges über die Hintergründe und weitere Quellen.